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Einleitung: Die Frühgeburt stellt eine der Hauptursachen für neonatale Morbidität und Mortalität dar. Eine Prävention wird u.a. durch die medikamentöse Behandlung von vorzeitigen Wehen erreicht und die Empfehlungen hierzu unterliegen einem ständigen Wandel. Das Ziel dieser Arbeit war es, die Effektivität dieser Veränderungen anhand einer retrospektiven Fall-Kontroll-Studie zu untersuchen.
Material und Methoden: Die dieser Arbeit zugrunde liegende Fall-Kontroll-Studie verglich das Outcome einer historischen (2006/2007) mit einer aktuellen (2014/2015) Kohorte aus Patientinnen, die sich mit vorzeitigen Wehen in der Frauenklinik des Universitätsklinikums Tübingen vorstellten. Hierbei handelte es sich um Einlingsschwangerschaften zwischen SSW 24+ und 34+ und es wurden nur Frauen mit einer Zervixlänge < 15 mm eingeschlossen. Die Therapiepläne der beiden Kohorten unterschieden sich folgendermaßen: Die historische Kohorte wurde kontinuierlich intravenös mit 2-Sympathomimetika (Fenoterol) behandelt und blieb entweder bis zu SSW 34+ oder bis zum Wehenstillstand hospitalisiert. Die Frauen erhielten bei SSW 34+ Glukokortikoide (Betamethason) zur Lungenreifeinduktion, unabhängig von der Zervixlänge. Häufig wurde ein Antibiotikum verabreicht, wobei dieses anhand des vaginalen Abstrichs ausgewählt wurde. Den Patientinnen wurde grundsätzlich Bettruhe verordnet. Die aktuelle Kohorte wurde mit einem oralen Calciumantagonisten (Nifedipin) behandelt. Die Tokolyse wurde nur für einen Zeitraum von ca. zwei Tagen verabreicht. Anschließend wurde bis zu SSW 34+ vaginal Progesteron appliziert. Das Ziel war es, die Patientinnen nur kurzfristig stationär zu behandeln und bei Sistieren der vorzeitigen Wehentätigkeit wieder zu entlassen. Wenn die Zervixlänge < 15 mm betrug erhielten die Patientinnen Glukokortikoide. Ein intravenöses Antibiotikum wurde nur sehr seltenen verordnet. Bettruhe wurde nicht empfohlen.
Ergebnisse: Die Studienpopulation bestand aus 110 Frauen, wobei jede Kohorte 55 Patientinnen enthielt. Das mediane Gestationsalter bei stationärer Aufnahme lag in der aktuellen Kohorte bei SSW 29,6 und in der historischen Kohorte bei SSW 29,9 (IQR 3,6 bzw. 4,4). Die mediane Aufenthaltsdauer im Krankenhaus war in der aktuellen Kohorte 4 Tage und in der historischen Kohorte 20 Tage (IQR 3 bzw. 25), während die mediane Dauer der Tokolyse jeweils 2 Tage gegenüber 16 Tage betrug (IQR 2 bzw. 20,75). In der aktuellen Behandlungskohorte wurden die Kinder im Mittel in SSW 37,4 und in der historischen Kohorte im Mittel in SSW 35,9 geboren (IQR 4,2 bzw. 3,3). Dies stellt mit einer Differenz von 1,5 Wochen einen signifikanten Unterschied dar (p-Wert = 0,006). Die Frühgeburtenrate war signifikant geringer: 36,4 % Frühgeburten in der aktuellen versus 63,6 % Frühgeburten in der historischen Kohorte (p-Wert = 0,004).
Schlussfolgerung: Das verbesserte Outcome wurde durch eine kurze Hospitalisierungszeit ohne Bettruhe, eine kurze Tokolyse mit oralen Calciumantagonisten, gefolgt von der Verabreichung von vaginalem Progesteron und einem sehr zurückhaltenden Einsatz von Antibiotika erreicht. Dies zeigt, dass das aktuelle Behandlungsprinzip effektiver ist, als das historische Behandlungsprinzip. Es fiel auf, dass das Weglassen bzw. Verkürzen von Therapiemaßnamen der Gesundheit von Mutter und Kind durchaus zuträglich sein kann. Welche konkreten Unterschiede zwischen den Therapieprinzipien für das bessere Outcome ausschlaggebend waren, lässt sich anhand der vorliegenden Daten nicht beantworten. Vielmehr zeigte sich, dass Veränderungen innerhalb mehrerer Therapiesäulen das bessere Outcome bedingten. Dies passt zu den Beobachtungen einer multifaktoriellen Ätiologie der Frühgeburt. Obwohl das Management vorzeitiger Wehen heutzutage wesentlich effektiver geworden ist, stellt die Frühgeburt nach wie vor eines der größten Probleme in der Geburtsmedizin dar, so dass weiterhin dringender Forschungsbedarf besteht. Um beispielsweise die Indikation zur Tokolyse rechtzeitig stellen zu können, ist es wichtig, zuverlässig zwischen geburtsrelevanten und nicht-geburtsrelevanten vorzeitigen Wehen unterscheiden zu können. Hierbei spielt unter anderem die vaginalsonographische Zervixlängenmessung eine herausragende Rolle. Ein einheitlicher klinischer Algorithmus für die Reihenfolge und Gewichtung der Untersuchungsmethoden und der daraus resultierenden Therapiemaßnahmen fehlt allerdings bislang und sollte Gegenstand intensiver Forschung sein. |
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dc.subject.classification |
Geburtshilfe , Gynäkologie , Vorzeitige Wehen , Wehenhemmung , Frühgeburt , Calciumantagonist , Fenoterol , Nifedipin |
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