Inhaltszusammenfassung:
Die Immunrekonstitution nach einer allogenen Stammzelltransplantation hat größten Einfluss auf das Auftreten infektiologischer Komplikationen, die Auftretenswahrscheinlichkeit einer Alloreaktivität wie der GvHD und des GvM-Effekts, eines Krankheitsrezidivs und somit auch auf die Morbidität und Mortalität eines transplantierten Patienten. Daten aus früheren Studien zeigen übereinstimmend eine frühe Immunrekonstitution von Zellen des angeborenen Immunsystems, welches Granulozyten, Monozyten und NK-Zellen umfasst, während Zellen des adaptiven Immunsystems, welches insbesondere T-Lymphozyten und B-Lymphozyten beinhaltet, erst Monate nach einer allogenen Stammzelltransplantation regenerieren. Vor diesem Hintergrund, ermöglicht eine CD3+/CD19+ depletierte haploidente Stammzelltransplantation eine Beobachtung der Lymphopoese in vivo ohne den Einfluss von Immunsuppressiva.
Das Ziel dieser Arbeit war es, die Rekonstitution Antikörper-produzierender Zellen bei Patienten innerhalb des ersten Jahres nach einer hämatopoetischen Stammzell¬transplantation zu untersuchen, wobei der Fokus der Untersuchung insbesondere auf den ersten Wochen nach der Transplantation lag. Die Fragestellung beruht auf der Beobachtung, dass die Entstehung reifer Plasmazellen erst etwa ein Jahr nach der Transplantation in der Literatur beschrieben ist, Antikörper zur Abwehr von Infekten jedoch bereits vorher benötigt werden und auch vorhanden sind.
Insgesamt konnten bei sieben haploident transplantierten Patienten Personen-bezogenene Daten erhoben werden und Proben gewonnen werden. Das Patientenkollektiv unterscheidet sich hinsichtlich Alter bei der Erstdiagnose, Geschlecht, hämatologischer Grunderkrankung, Vortherapien und Zeitpunkt der haploidenten Transplantation erheblich.
Dennoch ergibt sich bei allen sieben analysierten Patienten ein sehr einheitliches Bild bezüglich der erhobenen Ergebnisse. Alle Patienten zeigen ab Tag 14 nach der haploidenten Transplantation eine signifikante Regeneration der Leukopoese, welche hauptsächlich auf der Regeneration der neutrophilen Granulozyten beruht. Der Beginn der Lymphopoese hingegen kann frühestens nach 28 Tagen beobachtet werden, wobei eine Normalisierung der Lymphozytenwerte im Durchschnitt nach 270 Tagen nach der Transplantation erreicht wird. Trotz der verzögerten Lymphopoese kann bei allen analysierten Patienten das Auftreten Immunglobulin-exprimie¬render und –produzierender Zellen bereits nach 10 bis 30 Tagen nach der haploidenten Stammzelltransplantation beobachtet werden. Diese Zellen produzieren und exprimieren die Immunglobulinsubklassen IgA, IgG und IgM. Auch im Serum der Patienten kann in diesem Zeitraum ein Anstieg der Konzentrationen für lösliches IgA, IgG und IgM beobachtet werden. Gleichzeitig sind in diesem Zeitraum insbesondere die Expressionslevel Inflammations-assoziierter Zytokine erhöht, wohingegen Zytokine, die klassischerweise eine Rolle in der B-Zell-Differenzierung und B-Zell-Proliferation spielen, allen voran BAFF, eine untergeordnete Rolle spielen. Die identifizierte Zellpopulation, die mit dem Auftretenden der Antikörper-produzierenden Zellen signifikant korreliert und diesen vermutlich auch entspricht, zeigt den Phänotyp CD19- CD38low/+ CD27- und CD138-. Sie lässt sich somit weder klassischen Plasmazellen noch „unreiferen“ B1-B-Zellen zuordnen. Die gefundenen Zellen sind jedoch eindeutig aus dem Transplantat des Spenders hervorgegangen.
Insgesamt kann somit eine frühe, bereits 2 bis 3 Wochen nach der haploidenten Stammzelltransplantation auftretende, Immunglobulin-produzierende Zellpopulation nachgewiesen werden, die einen bisher unbekannten Phänotyp aufweist und möglicherweise einen bislang nicht beschriebenen Zwischenschritt in der Entwicklung der B-Lymphozyten darstellt. Zudem kann spekuliert werden, dass es sich bei diesen frühen Immunglobilun-sezernierenden Zellen um Elemente des angeborenen und weniger des adaptiven Immunsystems handeln könnte.