2.4 Registriermethoden
2.4.1 Vorversuche mit Zeitraffer-Videoaufnahmen
In der Arbeit von SCHUSTER (1996) über
die Circumnutationen von Arabidopsis
thaliana und Cardaminopsis
arenosa wurden hauptsächlich
Registrierungen der Hypokotyle bei Aufnahme von oben durchgeführt.
Dazu kamen wenige Registrierungen von der Seite. Die Versuchsdaten
waren nicht als Bilder abgespeichert worden.
Um visuelle Daten über die Vorgänge beim Wachstum und
bei den Circumnutationen zu erhalten, wurden deshalb zunächst
Zeitraffer-Videoaufnahmen von circumnutierenden Keimlingen angefertigt.
2.4.2 Atari-Versuche
2.4.2.1 Aufnahmen
von oben
Aufnahmen verschiedener Keimlinge von oben
mit Atari-Computern und dem Programm OXALIS wurden in der von
SCHUSTER (1996) beschriebenen Weise durchgeführt. Als Kameras
standen mehrere einfache no-name schwarz-weiß Videokameras
mit reduzierter Zeilenzahl zur Verfügung. Mit diesen Versuchen
sollten zwei Fragestellungen geklärt werden:
2.4.2.1.1 Wie ändern
sich die Periodenlängen der Circumnutationen im Laufe des
Wachstums der Keimlinge?
Hierzu wurden die mit dem Atari-System
gewonnenen Daten zunächst auf einen PC übertragen. Die
Rohdaten wurden mit dem Programm "arab"
einer Frequenzanalyse unterzogen. Mit Hilfe eines graphischen
Interface wurden Intensität und Periodenlänge der Schwingungen
über die Zeit aufgetragen.
Abbildung 2-4:
Programm "arab":
Im oberen Bereich sind die Schwingungen eines Arabidopsis
- Keimlings dargestellt. Die Amplitude der Schwingungen ist im
mittleren Teil der Abbildung durch eine Farbskala kodiert. Ein
dunkles Grau steht für die geringsten Amplituden. Mittlere
Amplituden werden grün oder rot dargestellt. Die kräftigsten
Schwingungen erscheinen gelb oder weiß. Rechts von der Farbskala
befindet sich ein Informationsfenster mit Details zum Versuch
wie Versuchsname, Kanalnummer usw. Der untere Bildteil zeigt die
Entwicklung von Periodenlänge und Amplitude. Die Periodenlänge
ist durch die Höhe im Schaubild kodiert und nimmt von unten
nach oben zu. Wenn der Mauszeiger auf einen Punkt des Schaubilds
platziert wird, kann im Informationsfenster die zugehörige
Periodenlänge und Amplitude abgelesen werden.
2.4.2.1.2
Hat Expansin eine Wirkung auf die Circumnutationen?
Wässrige Expansin-Lösungen,
Referenzlösungen und andere gelöste Substanzen wurden
mittels einer On-Column Spritze in der beschriebenen Weise an
verschiedenen Stellen des Hypokotyls und an den Kotyledonen appliziert.
Die Atari-Daten wurden auf einen PC übertragen und mit Hilfe
des dafür entwickelten Programms "pb"
auf dem Bildschirm angezeigt oder mit dem Programm "print-odo"
auf einem Farbdrucker ausgedruckt.
Abbildung 2-5:
Programm "pb" zur
Darstellung von Daten des Atari-Programms OXALIS auf einem PC.
Das Programms OXALIS legt Rohdaten im Format *.odo ab. Diese Dateien
enthalten x- und y-Koordinaten sowie Pixelzahl p der einzelnen
Objekte, die jeweils in einem eigenen "Kanal" abgelegt
werden. Das Programm "pb" zeigt alle Kanäle eines
Versuchs als Übersicht an. Die x-Richtung wird durch eine
grüne Kurve, die y-Richtung durch eine blaue Kurve und die
Zahl der Pixel durch eine rote Kurve angezeigt. Senkrechte gelbe
Linien markieren 24 Stunden-Abstände. Durch Anklicken des
entsprechenden Kanals kann gewählt werden, ob x, y, p oder
alle drei Kurven gleichzeitig dargestellt werden sollen. Rechts
neben den x-, y-, p-Kurven ist die Bewegung des Keimlings bei
Betrachtung von oben abgebildet.
Abbildung 2-6:
Programm "pb", Ausschnitt:
Durch Anklicken einer Stelle eines Kanals mit der linken Taste
der Computermaus und Ziehen nach rechts bei gedrückter Taste
kann ein Ausschnitt markiert werden. Der Bereich wird dabei hellblau
unterlegt. Die Bewegung des Keimlings bei Betrachtung von oben
in nur diesem Bereich wird dann rechts abgebildet.
Abbildung 2-7:
Programm "pb", Zusatzfenster:
Durch Anklicken der Abbildung rechts kann ein weiteres Fenster
erzeugt werden, das die Bewegung des Keimlings bei Betrachtung
von oben in größerem Maßstab zeigt. Oben in diesem
Zusatzfenster sind Kanalnummer und Nummer des ersten und letzten
scans angegeben.
2.4.2.2
Aufnahmen von der Seite
In der vorliegenden Arbeit sollte versucht
werden, zu beschreiben und möglicherweise zu erklären,
wie und wo am Hypokotyl die Circumnutationen entstehen. Hierzu
wurden Beads an verschiedenen Stellen des Hypokotyls der Keimlinge
angeheftet, wie unter 2.2.2 beschrieben. Die vertikalen und horizontalen
Bewegungen der einzelnen Beads sowie der Kotyledonen wurden mit
"tracking-Feldern" des OXALIS-Programs aufgezeichnet.
Die so gewonnenen Rohdaten der Bewegung in x- und y-Richtung wurden
in ein Tabellenkalkulationsprogramm importiert und die Bewegung
der einzelnen Beads auf einem Keimling grafisch dargestellt.
Im Verlauf dieser Versuche ergaben sich Hinweise auf Oberflächenstrukturen
der Pflanzen, die über längere Zeiträume konstant
blieben. Um solche "natürlichen Marker" verfolgen
zu können, war die Aufnahmequalität des Atari-Systems,
das nicht für Grauwertbilder programmiert worden war, sondern
mit einer festen Schwelle arbeitete, nicht ausreichend. Deshalb
wurde ein völlig neues System entwickelt, das auf einem PC
mit Framegrabber läuft.
2.4.3 Registrierungen
mit dem PC
2.4.3.1 Wahl des
Betriebssystems
Das Betriebssystem LINUX zeichnet sich
neben vielen anderen Vorzügen durch besondere Stabilität
aus. Für die geplanten Langzeitregistrierungen erschien es
somit besonders geeignet. Für diverse komplexe Steuervorgänge,
Datenerfassungs-, Speicher und Komprimierungsaufgaben stellt es
mit der Shellscript- Programmiersprache "bash"
ein flexibles und mächtiges Werkzeug bereit. Alle Quellcodes
sind frei verfügbar und es gibt keine teure Lizenzierung,
was den Austausch mit anderen Arbeitsgruppen erleichtert.
2.4.3.2 Kameras,
PC-Hardware und Peripherie
Mit dem geplanten Aufnahmesystem sollten
Keimlinge bei starker Vergrößerung und in guter Qualität
aufgenommen werden. Kleine, ortskonstante Strukturen auf den wachsenden
Hypokotylen ("natürliche Marker") sollten als Referenzpunkte
für die anschließende Auswertung erfasst werden. Die
Bilddaten wurden deshalb mit hochauflösenden schwarz-weiß
Videokameras [1] aufgenommen.
Die Videosignale wurden mit Framegrabberkarten [2]
digitalisiert, bearbeitet und auf der Festplatte eines PCs [3]
gespeichert. Aufeinander folgende Bilder konnten automatisch in
regelmäßigen, frei wählbaren Zeitabständen
erzeugt und abgelegt werden.
Als Objektive für die Kameras erwiesen
sich M42-Schraubobjektive mit 50 mm Brennweite [4]
als geeignet. Sie wurden über einen Adapter am C-Mount-Anschluß
der Videokameras montiert. Solche Objektive ließen sich
sehr günstig gebraucht im Fotohandel beschaffen. Durch mehrere
Zwischenringe konnte der gewünschte große Abbildungsmaßstab
realisiert werden. Außerdem bewirkten die M42-Objektive,
die eigentlich für Kleinbildformat ausgelegt sind, hier jedoch
auf einen lediglich 1/3 Inch großen CCD-Chip abbilden, eine
zusätzliche Vergrößerung.
2.4.3.3 Infrarotbeleuchtung
Für die geplanten Versuche war es auch
erforderlich, Aufnahmen bei völliger Dunkelheit oder im Licht-Dunkel-Wechsel
durchführen zu können. Hierfür wurde eine Infrarotlichtquelle
aus einer Matrix aus Infrarot-LEDs [5]
aufgebaut. Die Leistung der Lichtquelle war über eine Stromquellenschaltung
in weiten Bereichen regulierbar.
In Experimenten mit Keimlingen, die in totaler
Dunkelheit oder in Dunkelheit mit zusätzlicher Beleuchtung
durch IR-LEDs wuchsen, wurde untersucht, ob sich Unterschiede
in Länge oder Habitus ergaben. Dies war nicht der Fall.
Licht von unterschiedlicher Wellenlänge
wird von Kameraobjektiven verschieden stark gebrochen. Dies führt
zu Brennweitenunterschieden in Abhängigkeit von der Wellenlänge
des Lichts. Gleichzeitige Beleuchtung der Objekte mit sichtbarem
Licht und mit Infrarotlicht liefert deshalb unscharfe Bilder.
Mit Hilfe eines Filters, das nur für infrarotes Licht, nicht
aber für sichtbares Licht durchlässig ist, konnte dieses
Problem gelöst werden. Als Filtermaterial war gewöhnlicher,
völlig belichteter, entwickelter Schwarz-Weiß-Film
gut geeignet. Ein passendes Stück Film wurde zwischen Objektiv
und CCD-Chip der Videokamera montiert. Das als Filter verwendete
Filmmaterial wies oft winzige Kratzer und Unregelmäßigkeiten
auf. Deshalb durfte es nicht direkt über dem Bildwandler
der Kamera befestigt werden, da diese Strukturen sonst im Bild
sichtbar wurden. Das Filter wurde stattdessen hinter der Linse
am vorderen Ende der Zwischenringe montiert.
2.4.3.4 Verfahreinheiten
Mit der Aufnahme von jeweils nur einer Pflanze
pro Versuch wären die Experimente und die Fragestellungen
innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens einer Dissertation nicht
realisierbar gewesen. Deshalb wurde eine Anlage geplant und entwickelt,
mit deren Hilfe eine größere Anzahl von Keimlingen
kontinuierlich aufgenommen werden konnte.
Versuche, mehrere Pflanzen mit einer einzigen
feststehenden Kamera zu erfassen, wurden nach kurzer Zeit wieder
eingestellt. Hierfür war ein kleinerer Abbildungsmaßstab
nötig gewesen, was die Aufnahmequalität wesentlich verschlechterte.
Außerdem kam es durch Wachstumsvorgänge und Schwingungen
der eng stehenden Pflanzen leicht zu optischen Überschneidungen.
Mehrere Versuchsobjekte mit mehreren Kameras
simultan aufzunehmen, ließ sich aus Kostengründen nicht
durchführen. Für die Registrierung der meist nur wenige
Millimeter großen Keimlinge waren handelsübliche, billige
Überwachungskameras ungeeignet. Eine größere Anzahl
guter Kameras mit entsprechenden Objektiven und Zubehör war
nicht finanzierbar.
Geeignet erschien eine Verfahreinheit, die
in der Lage ist, entweder Kameras oder Versuchsobjekte oder evtl.
auch beides zeitgesteuert zu bewegen, in regelmäßigen
Abständen Aufnahmen der einzelnen Objekte zu machen und diese
in geeigneter Form auf einem Datenträger zu speichern.
Bei der Registrierung sollten alle Pflanzen
nacheinander in Aufnahmeposition gebracht und registriert werden.
Dies liefert die Bilder der Pflanzen in einem Abtastvorgang ("scan").
Nach Aufnahme der letzten Pflanze wird wieder die Startposition
angefahren, wobei die Anlage auch neu kalibriert wird. Nach Ablauf
der Abtastperiode von beispielsweise 4 Minuten beginnt der nächste
scan.
2.4.3.4.1 Prototyp
einer Verfahreinheit unter Verwendung eines umgebauten 5 ¼"
Floppydrives
Um erste Erfahrungen zu sammeln, wurde eine
kleine Verfahreinheit auf der Basis eines handelsüblichen
5 ¼" Diskettenlaufwerks entwickelt. Diese Laufwerke
besitzen eine Positioniereinheit für den Lese-Schreibkopf,
welcher sehr präzise und linear über der rotierenden
Diskette verfahren werden kann. Sie wurde zum Verfahren einiger
Pflanzen benutzt.
Alle elektronischen und mechanischen Teile
des Laufwerks bis auf das Metallgehäuse, die Führungsschienen
und den Schrittmotor zur Positionierung des Schreib-Lesekopfes
wurden ausgebaut. Auf den Träger des Schreib-Lesekopfes wurde
ein Kunststoffkästchen (Abmessungen 4,5*3,5*1,5 cm) mit abnehmbarem
Deckel montiert. Vor den Versuchen wurde das Kästchen mit
Leitungswasser gefüllt. Auf dem Deckel wurde ein Stück
schwarzes Filterpapier montiert. Der Deckel besaß einen
Rand von ca. 1 mm Höhe, der das Filterpapier in Position
hielt. Es wurde über einen Docht aus Filterpapier, der durch
einen Schlitz in das Innere des Kästchens ragte, feucht gehalten
und diente als Auflage und zur Wasserversorgung der zu untersuchenden
Keimlinge. Diese waren in der bereits beschriebenen Weise auf
Filterpapierscheibchen angezogen worden. Sie wurden vor Versuchsbeginn
auf der Verfahreinheit montiert.
Der Schrittmotor wurde über einen Mikrocomputer
[6] ("periphere Prozessoreinheit"
(PPU)) angesteuert. Die PPU war über die serielle Schnittstelle
mit einem PC verbunden. Über Kleinleistungstransistoren wurden
die Wicklungen des Schrittmotors angesteuert. Zur Stromversorgung
diente ein handelsübliches Steckernetzteil mit 12V Spannung.
Die Positionierbefehle des PCs wurden von
der PPU in Stromflußzustände für die Wicklungen
des Schrittmotors umgerechnet. Die zeitliche Abfolge der Impulse
wurde über Tabellen bestimmt, da die Leistungsfähigkeit
der PPU zu einer Berechnung in Echtzeit nicht ausreichte. Außerdem
sind tabellengesteuerte Algorithmen flexibler anzupassen. Die
Tabellen waren empirisch so festgelegt, dass Vibrationen und Resonanzen
beim Verfahren minimiert wurden. "Mikropositionierung",
bei der die Spulen des Schrittmotors in definierten Stromverhältnissen
zueinander angesteuert wurden, erlaubte ein sehr vibrationsarmes
Verfahren.
In späteren Ausführungen wurde
versucht, höhere Verfahrgeschwindigkeiten zu realisieren.
Dabei treten beim Anfahren und Anhalten große Beschleunigungen
auf. Um diese zu vermeiden, waren Beschleunigungs- und Bremsvorgänge
nötig, die ebenfalls über Tabellen kontrolliert wurden.
Diese erste Anlage hatte einen Verfahrweg
von ca. 3 cm. Damit konnten maximal etwa 5 Keimlinge in einem
Versuch registriert werden. Mit dieser Anlage sollte geprüft
werden, ob die Positionierung genau genug war und ob die beim
Verfahren der Pflanzen unvermeidbaren Erschütterungen das
Wachstum oder das Bewegungsverhalten beeinflussen. Dies schien
nicht der Fall zu sein, was auch zuvor schon Wachstumsversuche
auf einem Rüttler ergeben hatten.
Die Beschränkung auf 5 Pflanzen pro
Versuch war jedoch der Grund, eine größere Anlage zu
planen. Aus experimentellen Gründen wurden dabei die Kameras
und nicht die Objekte verfahren. Feststehende Keimlinge waren
leichter zu beleuchten und mit Wasser zu versorgen als bewegte
Keimlinge. Außerdem bestand beim Bewegen der Pflanzen das
Risiko, dass sie auf ihrer Unterlage verrutschen und die Reaktionen
der Pflanzen beeinflusst wurden.
2.4.3.4.2 Verfahreinheit
mit zwei Videokameras unter Verwendung eines umgebauten Nadeldruckers
Wachstums- und Bewegungsvorgänge von
Pflanzen finden in allen drei räumlichen Dimensionen statt.
Um solche Vorgänge zu registrieren, sind Stereoaufnahmen
notwendig. Für Stereoaufnahmen bewegter Objekte müssen
diese von zwei Kameras aus unterschiedlichen Richtungen möglichst
zeitgleich erfasst werden. Bei einem Kamerawinkel von 90°
werden optimale Ergebnisse erzielt und aufnahmebedingte Fehler
und Toleranzen werden verringert. Aber auch spitzere oder stumpfere
Kamerawinkel führen zu verwertbaren Aussagen, solange der
Winkel bekannt ist. Zwei Kameras wurden auf einem gemeinsamen
Träger frei drehbar und gegeneinander verschiebbar montiert.
Der Fokus beider Kameras ließ sich so auf einen Punkt einstellen,
was Grundbedingung für Stereoaufnahmen ist.
Der Abbildungsmaßstab beider Kameras
wurde durch mehrere Zwischenringe unterschiedlicher Länge
grob eingestellt. Da die Versuchobjekte meist nur wenige Millimeter
groß waren und bildfüllend dargestellt werden sollten,
waren Zwischenringlängen von bis zu 10 cm erforderlich. Die
Feinregulierung des Abbildungsmaßstabs erfolgte mit Hilfe
der Fokussierringe der Objektive. Wird der Fokussierring voll
gedreht, verändert sich der Abstand des Objektivs vom Film
oder Bildwandler um nur wenige Millimeter. Verglichen mit den
langen Zwischenringen war diese Änderung nur sehr gering
und wirkte sich somit entsprechend wenig aus. Wird der Abbildungsmaßstab
durch unterschiedlich lange Zwischenringe verändert, muss
auch der Objektabstand verändert werden. Die Entfernung der
jeweiligen Kamera vom Objekt musste also parallel zur Veränderung
des Maßstabs reguliert werden. Leider standen keine zwei
identischen Kameras und auch keine identischen Objektive zur Verfügung.
Dadurch wurde das Einstellen und Fokussieren sehr erschwert. Es
war wegen der recht simplen Konstruktion des Kameraträgers
nur sehr schwer möglich, manuell einen absolut identischen
Abbildungsmaßstab beider Kameras und zugleich einen Kamerawinkel
von genau 90° einzustellen. Deshalb mussten im Registrierprogramm
Unterschiede im Abbildungsmaßstab berücksichtigt werden.
Bei größeren Objekten, die einen
geringeren Abbildungsmaßstab und somit einen größeren
Abstand von den Objektiven erforderten, war aufgrund der begrenzten
Breite des Kameraträgers ein Kamerawinkel kleiner 90 °
erforderlich. Eine Korrektur dieser Abweichung vom rechten Winkel
wurde ebenfalls per Programm vorgenommen.
Um mit den beiden Kameras in kurzen zeitlichen
Abständen mehrere Objekte aufnehmen zu können, sollte
der gesamte Kameraträger in horizontaler Richtung automatisch
verfahren werden. Hierzu wurde ein Nadeldrucker[7]
verwendet. Dieser Drucker schien besonders gut geeignet, da sein
Druckkopf auf zwei parallelen, massiven Stahlachsen gleitend und
spielfrei geführt wird. Der Kameraträger mit beiden
Kameras und Objektiven besaß ein wesentlich höheres
Gewicht als der Druckkopf und erforderte daher eine solide Führung.
Der Druckkopf wurde abmontiert und an seine Stelle ein speziell
angefertigter Aluminiumklotz als Unterlage für den eigentlichen
Kameraträger geschraubt. Der Träger wurde aus 5mm starkem
Aluminiumblech gefertigt. Mit Hilfe von entsprechenden Schlitzen,
Winkeln, Bohrungen und Verschraubungen wurde die nötige Variabilität
der Kamerabefestigung realisiert.
Der Drucker wurde wieder mit einer PPU und
über die serielle Schnittstelle eines PCs angesteuert. Um
die Steuersignale der PPU in Ströme am Schrittmotor des Druckers
umzusetzen, wurden die im Drucker vorhandenen Treibertransistoren
sowie die druckerinterne Spannungsversorgung verwendet. Die ursprüngliche
Verbindung der Treibertransistoren zur internen Steuerhardware
auf der Leiterbahnplatine des Druckers wurde durchtrennt. Die
im Drucker vorhandenen Endabschalter wurden verwendet, um das
Verfahren der Kameras seitlich zu begrenzen und die Einheit zu
kalibrieren.
Abbildung 2-8:
Verfahreinheit mit zwei Videokameras,
die auf einer Metallplatte auf dem Schlitten eines umgebauten
Nadeldruckers montiert sind. Im Vordergrund zwei Laborhebebühnen
mit je einem Wassergefäß, in die Enden schwarzen Filterpapiers
ragen. Auf diesem Papier sind 15 Arabidopsis-Keimlinge auf Filterpapierscheibchen
montiert. Sie werden von einem Satz Infrarot-Leuchtdioden (zwischen
den Kameralinsen) beleuchtet. Die Kameras lassen sich über
eine Steuereinheit seitlich verfahren. Im Hintergrund blaue Leuchtstoffröhre
mit blauem Plexiglas für phototrope Stimulation. Weiße
Leuchtstoffröhre mit Graufilter senkrecht über den Keimlingen
nicht zu sehen.
2.4.3.4.3
Einheit zum Verfahren von zwei Videokameras in drei Dimensionen
unter Verwendung einer CNC- Maschine
In der dritten Ausbaustufe wurde eine Anlage
zum dreidimensionalen Verfahren zweier Kameras aufgebaut. Diese
größer dimensionierte Anlage basierte auf einer CNC-
Maschine[8], die aus drei Lineareinheiten
mit Gewindetrieben und Schrittmotoren bestand.
Um Wachstumsvorgänge der Hypokotyle
möglichst genau beobachten zu können, mussten die Pflanzen
möglichst hochauflösend und in möglichst großem
Abbildungsmaßstab aufgenommen werden. Bei feststehenden
Kameras oder bei der eindimensionalen Verfahreinheit wuchsen die
Pflanzen jedoch bei größeren Bildmaßstäben
rasch aus dem Bildrahmen heraus. Deshalb musste ein Kompromiss
zwischen Abbildungsmaßstab und Bildqualität geschlossen
werden. Insbesondere bei Cardaminopsis,
die bei niedrigen Beleuchtungsstärken Hypokotyle von bis
zu 5 cm Länge mit nur ca. 1 mm Dicke entwickelt, war bei
bildfüllender Darstellung die Auflösung für komplexe
Bildanalyseverfahren nicht ausreichend. Deshalb wurde eine dreidimensionale
Verfahreinheit entwickelt, mit der mehrere Pflanzen zeitsynchron
aufgenommen und auch mehrere übereinanderliegende Bilder
eines Objekts angefertigt werden konnten. Die übereinanderliegenden
Bilder sollten anschließend rechnerisch zu einem einzigen
Bild zusammengefügt und danach ausgewertet werden.
Abbildung 2-9:
Einheit zum Verfahren von
zwei Videokameras in drei Dimensionen. Links Wassergefäß
mit Filterpapierdocht und Keimlingen auf einer Laborhebebühne,
deren Metalluntersatz (gerieft) auf die Kameras zu- oder wegbewegt
werden kann. Kameras seitlich und vertikal verfahrbar. Beleuchtung
von oben (nicht gezeigt).
Die Lineareinheit für das horizontale
Verfahren ("x-Achse"), trug eine vertikale Lineareinheit
(z-Achse). Auf ihr wurde ein trapezförmiger Kameraträger
mit Längsschlitzen am Rande der Schenkel montiert. Die Kameras
konnten verschiebbar montiert werden, wobei der rechte Winkel
bereits vorgegeben war.
Die y-Achse der Anlage war als horizontale,
massive, geschlitzte Metallplatte ausgelegt, die sich unterhalb
von x-Achse und z-Achse befand und nach vorne und hinten verfahren
werden konnte. Auf dieser Metallplatte wurden die Pflanzen wie
nachfolgend beschrieben aufgebaut.
Bei Stereoaufnahmen ist es nicht sinnvoll,
ein Objekt aus dem Schnittpunkt der Kameraachsen heraus zu bewegen.
Ein Verfahren in y-Achse war für den Fall gedacht, dass Pflanzen
schief wuchsen und sich dadurch nicht mehr im Fokus der Kameras
befanden. Außerdem bestand die Möglichkeit, die Pflanzen
auf der Unterlage manuell nur grob zu positionieren und danach
durch Verfahren der Unterlage fein einzustellen.
Die Ansteuerung der drei Schrittmotoren der
CNC- Maschine erfolgte durch je zwei Vollbrücken aus POWER-MOSFET-Transistoren,
die über integrierte Treiberstufen und Hochgeschwindigkeits-Optokoppler
wie zuvor von einer PPU gesteuert wurden.
Jeweils ein Endschalter an den Startpositionen
der Lineareinheiten diente zur Kalibrierung und als Notausschalter
bei Positionierfehlern.
Das zuvor benutzte PPU- Programm wurde so
erweitert, dass damit alle drei Achsen einzeln verfahren werden
konnten. Ein simultanes Verfahren zweier Achsen war aufgrund der
beschränkten Leistung der PPU nicht möglich und auch
nicht erforderlich.
Wegen der größeren Verfahrwege
und höheren Schrittzahl wurde die Anlage genauer. Allerdings
waren nun Beschleunigungs- und Bremsvorgänge nötig,
um die Verfahrzeiten kurz zu halten. Durch Mikropositionierung
wurde das langsame Verfahren der y-Achse, welches nur zur Refokussierung
diente, vibrationsarm gestaltet.
Zum Antrieb der z-Achse war eine zusätzliche Schaltung nötig.
Durch das Gewicht der Kameras und des Kameraträgers begann
sich der Schrittmotor dieser Achse im stromfreien Zustand zu drehen
und die Einheit rutschte nach unten. Über einen Ruhestrom,
der den Schrittmotor im letzten aktuellen Zustand festhielt, konnte
dieses Problem behoben werden. Der Haltestrom wurde mit einer
Frequenz von ca. 25 kHz gepulst. Die Größe des Ruhestromes
wurde durch das Tastverhältnis zwischen Ein- und Ausschalten
eingestellt.
2.4.3.5 Software
zum Steuern der eindimensionalen und dreidimensionalen Verfahreinheit;
Versuchsaufbau bei der Registrierung
Zum Einstellen der Pflanzen zu Beginn einer
Registrierung, zum Digitalisieren von Bildern und zur Bildkompression
wurden Programme entwickelt. Diese wurden teils von der Kommandozeile,
teils zeitgesteuert vom "cron"-daemon des LINUX-Systems
gestartet.
2.4.3.5.1 Eindimensionale
Verfahreinheit
Bei Beginn jedes neuen Versuchs galt es,
viele Pflanzen in bezug auf die beiden Kameras der Verfahreinheit
möglichst effizient zu positionieren und scharfzustellen.
Hierzu wurde für die eindimensionale Verfahreinheit das X-Programm
"einstellen"
entwickelt. Mit ihm konnte die Verfahreinheit auf beliebige Positionen
eingestellt werden. Für die einzelnen Pflanzen war jeweils
eine Schaltfläche vorhanden. Durch Anklicken dieser Schaltflächen
konnten die einzelnen Pflanzen angefahren werden. Die gespeicherte
Position der Pflanze konnte bei Bedarf verändert werden.
Während des Versuchs wurden die Positionen der Pflanzen dann
periodisch angefahren.
Aus experimenteller Sicht hat sich eine äquidistante
Anordnung der Keimlinge auf einer gemeinsamen Unterlage als günstig
erwiesen. Hierzu wurden den Schaltflächen Positionen in regelmäßigen
Abständen zugewiesen und die Pflanzen nach diesen Positionen
ausgerichtet.
Als Unterlage für die Pflanzen diente ein Streifen aus schwarzem
Filterpapier, der über ein längliches Stück Plexiglas
(20 cm Länge und 4 cm Breite) gelegt wurde und dessen beide
Enden jeweils in ein eigenes Wasserreservoir tauchten. Jeder Behälter
stand auf einer Hebebühne. Mit ihr konnten Höhe und
Neigung der Unterlage in bezug auf die Verfahreinheit eingestellt
werden.
Um den ersten Keimling zu montieren, wurde
die Verfahreinheit durch Anklicken der ersten Schaltfläche
in Position 1 gebracht. Unter der X-Oberfläche von LINUX
wurden die beiden Kamerasignale in Echtzeit in zwei Fenstern dargestellt.
Die Pflanze wurde mit ihrem Filterpapierscheibchen so auf der
Unterlage positioniert, dass sie sich in bezug auf beide Kameras
in der Mitte des Bildes befand. Die Kameras wurden scharf gestellt.
Mit einer möglichst kleinen Blende wurde eine maximale Tiefenschärfe
erreicht. Nachdem die erste Pflanze eingerichtet war, wurde die
zweite Schaltfläche aktiviert und damit die nächste
Position angefahren. Die zweite Pflanze wurde so montiert, dass
sie ebenfalls in der Mitte beider Kamerabilder erschien und somit
von beiden Kameras scharf gesehen wurde. Die weiteren Pflanzen
wurden montiert und eingestellt. Je nach Größe konnten
bis zu 25 Pflanzen auf der gemeinsamen Unterlage aufgestellt werden.
Bei einer Aufnahmefrequenz von 15 Bildern pro Stunde und Pflanze
(von jeder Pflanze alle vier Minuten eine Aufnahme) konnten etwa
15 Pflanzen simultan aufgezeichnet werden. Wenn der gesamte Verfahrweg
der Einheit ausgenutzt wurde, betrug dann der Abstand zwischen
zwei Pflanzen etwa 1,5 cm.
Videobilder besitzen normgemäß
ein Verhältnis von Breite zu Höhe von 4:3. Da die Hypokotyle
schmale, senkrecht stehende Objekte sind, wurden sie mit einer
um 90° gekippten Kamera aufgenommen. So konnten die darstellbare
Bildfläche und Auflösung optimal ausgenutzt werden.
Für eine naturgetreue Darstellung am Bildschirm wurde das
Kamerabild dann wieder per Software um 90° gedreht. Die Kameras
befanden sich vom Experimentator aus gesehen hinter den Pflanzen.
Bewegte man eine Pflanze beim Einrichten nach rechts, rutschte
sie auf dem entsprechenden Videobild nach links. Da dies einem
intuitiven Arbeiten beim Montieren widersprach, wurden die Videobilder
im Einstellprogramm zusätzlich noch um ihre vertikale Achse
gespiegelt.
Das Aufnahmescript "scan"
diente dazu, die Anlage mit Hilfe des Endschalters des Druckers
neu zu kalibrieren, nacheinander die einzelnen gespeicherten Pflanzenpositionen
anzufahren, die Bilder aufzunehmen und die Datenkompression, Datenspeicherung
und Auswertung zu starten.
Nachdem die Anlage die jeweilige Aufnahmeposition
erreicht hatte, wurde noch etwa eine Sekunde gewartet, um mechanische
Schwingungen ausdämpfen zu lassen. Dann wurden zunächst
mit der einen, dann mit der anderen Kamera mit maximaler Geschwindigkeit
viele Bilder der Pflanze aufgenommen und anschließend gemittelt.
Die Kameras waren an den beiden Base-Band-Eingängen der Framegrabberkarte
angeschlossen.
Das Aufnahmescript "scan"
wurde in einem vorgegebenen zeitlichen Rhythmus, beispielsweise
alle vier Minuten, gestartet. Mit der letzten Pflanze war ein
Aufnahmezyklus beendet.
2.4.3.5.2 Dreidimensionale
Verfahreinheit
Mit der dreidimensionalen Verfahreinheit
sollten auch wesentlich größere Abbildungsmaßstäbe
als bei der eindimensionalen Anlage realisiert werden. Die Samen
oder Keimlinge genau im Fokus beider Kameras manuell zu positionieren
war daher besonders schwierig. Für diese Verfahreinheit wurde
deshalb das Programm "3d-einstellen"
für die grafische Linux-Oberfläche "X" entwickelt,
das die Bewegungsmöglichkeit der Anlage in allen drei Achsen
ausnutzt. Auch bei diesem Programm wurden die Bilder beider Kameras
in zwei nebeneinander liegenden Fenstern in Echtzeit angezeigt.
Die Samen oder Keimlinge wurden manuell auf eine geeignete Unterlage
gesetzt, so dass sie sich ungefähr in der Mitte beider Kamerabilder
befanden. Durch Anklicken des Samens oder Hypokotyls im Bildfenster
der linken und rechten Kamera wurde die Position der Verfahreinheit
automatisch so verändert, dass dann das Objekt genau in der
Mitte des jeweiligen Fensters dargestellt wurde. Die laterale
Position im jeweils anderen Fenster veränderte sich dabei
nicht. Außerdem konnte die Vertikalposition jeder einzelnen
Pflanze verändert werden. Auf eine mechanische Anpassung
der Pflanzenunterlage an die Verfahreinheit, wie sie bei der eindimensionalen
Anlage mit Hilfe von Hebebühnen realisiert worden war, konnte
deshalb verzichtet werden.
Vor jedem Versuch wurden so die Koordinaten
aller Pflanzen manuell festgelegt und automatisch abgespeichert.
Während des Versuchs wurden die einzelnen Aufnahmepositionen
stets so angefahren, dass der Kameraträger immer auf der
gleichen Seite der Spindeln der Linearantriebe der Verfahreinheit
ruhte. Dadurch wurden Ungenauigkeiten durch Spiel vermindert.
Außerdem wurde ein regelmäßiges Muster von hellen
und dunklen Flächen auf einer Ebene unterhalb der Pflanzenauflage
angebracht und synchron zum Versuch mit aufgenommen. Damit konnte
die Bildlage in horizontaler Richtung in Bezug auf die Position
der Verfahreinheit nachkorrigiert und Ungenauigkeiten rechnerisch
korrigiert werden.
Mit einem html-Interface ließ sich
der gesamte Versuch über das Internet beobachten und steuern.
Auf einer Webseite wurden für jede Pflanze die Bilder der
linken und rechten Kamera als "thumbnails" dargestellt.
Durch Anklicken konnten diese Bilder auch größer dargestellt
werden. Sie wurden als komprimierte jpg-Dateien übertragen,
um die Ladezeiten der Bilder in Grenzen zu halten. Es war manchmal
erforderlich, die Aufnahmeposition einer Pflanze im laufenden
Versuch korrigieren zu können. Wenn die gesamte Entwicklung
einer Pflanze vom Samen zum Keimling dokumentiert werden sollte,
verwurzelte dieser meist nicht genau an der Stelle, an der der
Same ursprünglich gelegen hatte. Diese laterale Korrekturmöglichkeit
ließ sich ebenfalls über das html-Interface durchführen.
Bei der dreidimensionalen Verfahreinheit
wurden die Kameras nicht wie bei der eindimensionalen Anlage hochkant
montiert. Sobald die Pflanze nicht mehr in ein Bild passte, wurden
zusätzliche Bilder aufgenommen. Auf der Webseite wurden dann
alle übereinander liegenden Bilder dargestellt. Nach Versuchsende
wurden dann diese Bilder einer Pflanze (unter eventueller Berücksichtigung
der Bildlagekorrekturdaten) rechnerisch zu einem einzigen Gesamtbild
zusammengefügt. Das Hinzuschalten neuer Bilder zum Registrieren
zu langer Pflanzen erfolgte ebenfalls über das html-Interface.
Weitere wichtige Versuchsdaten wie Dauer
eines scans, freie Speicherkapazität der Festplatten, Koordinaten
jeder Pflanze etc. wurden ebenfalls angezeigt und fortlaufend
aktualisiert. Über einen link war für jede Pflanze eine
Liste mit allen Originalaufnahmen erreichbar. Durch Anklicken
konnten beliebige Bilder heruntergeladen werden.
2.4.3.6
Programme zum Speichern der Bilddaten und zur Datenreduktion
Jeder Pflanze wurde anhand ihrer Positionsnummer
ein eigenes Aufnahmeverzeichnis zugeordnet. In diesen Verzeichnissen
wurden die Bilder unter einer fortlaufenden Nummer gespeichert.
Neben der Bildnummer beinhaltet der Dateiname einen Zusatz "a"
oder "b", um die rechte und linke Kamera zu identifizieren.
Die Gesamtheit aller Informationen über eine Pflanze wurde
von uns als "Kanal" bezeichnet.
Eine Aufgabe des Aufnahmescripts "scan"
war, Programme zur Datenreduktion aufzurufen. Schon bei
früheren Versuchen war klar geworden, dass die Datenmengen
bei längeren Aufnahmen und ohne Komprimierung nicht mehr
handhabbar sein würden. Insbesondere die synchrone Aufnahme
mehrerer Pflanzen hätte auch größere Festplatten
rasch zum Überlaufen gebracht. In einem ersten Ansatz wurde
versucht, mit dem Standard-Kompressionsprogramm "gzip"
die Dateigrößen zu reduzieren. Durch den relativ hohen
Rauschanteil der Bilder war die erzielte Datenreduktion jedoch
nur gering. Sie betrug lediglich etwa 50% der ursprünglichen
Bildgröße von 432 KB[9].
Durch Mitteln mehrerer (kurz hintereinander aufgenommener) Bilder
konnte der Rauschanteil deutlich gesenkt und die Qualität
stark verbessert werden. Solche gemittelten Bilder ließen
sich dank des einheitlich schwarzen Hintergrunds wesentlich besser
komprimieren und benötigten je nach Größe und
Struktur des Objekts nur noch 15 - 25 Prozent des ursprünglichen
Speicherplatzes. Die Bilder aufzunehmen und zu mitteln war ziemlich
rechenintensiv und dauerte entsprechend lange. Deshalb musste
bei hohen Aufnahmefrequenzen ein Kompromiss zwischen Anzahl der
aufzunehmenden Pflanzen und Anzahl der zu mittelnden Bilder gefunden
werden. Pro Sekunde ließen sich ca. 4 bis 6 Bilder digitalisieren
und mitteln. Die Zahl der zu mittelnden Bilder ließ sich
als Parameter im Aufnahmescript
"scan" angeben. Eine gute Bildqualität wurde
zwischen 50 bis 100 gemittelten Aufnahmen erreicht. Aber bereits
bei 25 gemittelten Bildern war die Qualität viel besser und
die Daten konnten beim komprimierten Speichern der Dateien beträchtlich
reduziert werden.
Um die Dateigröße noch stärker
zu reduzieren, wurde ein Algorithmus entwickelt, mit dem die Pflanzen
vor ihrem Hintergrund freigestellt werden konnten. Unnötige
Bildinhalte, nämlich der verrauschte Hintergrund, wurden
durch einheitliches Schwarz ersetzt. Die so komprimierten Dateien
besaßen nur noch etwa 10% der ursprünglichen Größe,
durchschnittlich 30-50 kB.
Versuche, die Daten mit Kompressionsverfahren
wie JPEG oder MPEG noch stärker zu reduzieren, schlugen fehl
oder wurden aus prinzipiellen Gründen nicht angewendet. Eine
verlustbehaftete Datenreduktion mit JPEG reduziert den Informationsgehalt
der Bilder und schied deshalb aus. Verlustfreie JPEG Komprimierung
lieferte größere Dateien als "gezipte" Bilder.
Der Versuch, die Gesamtdatenmenge eines Versuchs durch Abspeichern
von Differenzbildern zu reduzieren, führte zu keinem befriedigenden
Ergebnis. Dies lag an dem hohen Rauschanteil, mit dem die einzelnen
Bilder trotz Mittelung noch behaftet waren. Für bessere Hardware,
insbesondere hochauflösende, rauscharme Kameras, standen
keine finanziellen Mittel zur Verfügung.
2.4.3.7 Programme
zum Eichen der Anlagen, zum Einstellen verschiedener Kamerawinkel
usw.
2.4.3.7.1 Programm
zum Eichen der eindimensionalen Verfahreinheit
Für die Stereoaufnahmen standen leider
keine zwei identischen Kameras und auch keine identische Optik
zur Verfügung. Deshalb war es notwendig, den Auswerteprogrammen
Angaben über den jeweiligen Abbildungsmaßstab übergeben
zu können. Mit dem Einstellprogramm
"s1" konnte die Höhe der Abbildung einer
Pflanze in den Bildern beider Kameras markiert werden. Die Werte
wurden dann an die Auswerteprogramme übergeben. Unterschiede
im Abbildungsmaßstab der Kameras ließen sich so rechnerisch
korrigieren. In diesem Programm wurde auch der Kamerawinkel abgefragt.
Abbildung 2-10:
Einstellprogramm "s1".
Die Bilder eines Keimlings aus der Sicht der linken und der rechten
Kamera werden dargestellt. In jedem Bild befinden sich zwei horizontale
Linien, die sich bei gedrückter linker Maustaste einzeln
vertikal verschieben lassen. Die Linien müssen in beiden
Bildern an korrespondierende Stellen der Pflanzen geschoben werden.
Nach Beenden des Einstell-Programms durch Anklicken der Bildfläche
mit der rechten Maustaste werden aus der Position der Linien Skalierungsdaten
ermittelt und numerisch ausgegeben. Die Skalierungsdaten werden
dann in einer Datei namens "scale" abgespeichert und
über einen link mit dem Auswerteprogramm verknüpft.
2.4.3.7.2 Programm
zum Zusammensetzen von Teilbildern und zum Eichen der dreidimensionalen
Verfahreinheit
Da bei der dreidimensionalen Verfahreinheit
die Pflanzen in mehreren übereinander liegenden Teilbildern
aufgenommen wurden, mussten die Teilbilder rechnerisch zu einem
Gesamtbild zusammengesetzt werden, um sie betrachten und auswerten
zu können.
Alle übereinander liegenden Teilbilder
einer Pflanze wurden mit einer Überlappung von ca. 25% aufgenommen.
Um später die genaue Lage der Teilbilder zueinander bestimmen
zu können, wurden die überlappenden Bereiche rechnerisch
korreliert. Hierzu wurden aus beiden Bildern die Gradientenbilder
berechnet. Für jede Verschiebung der Bilder gegeneinander
im überlappenden Bereich wurde der Korrelationskoeffizient
ermittelt. Dies ergibt zweidimensionale Korrelationsmuster, die
als sogenanntes Korrelationsbild
abgespeichert wurden. Der Punkt der besten Korrelation (die hellste
Stelle des Korrelationsbildes)
entsprach der Stelle, an der die Originalbilder am besten zusammen
passten.
Um die Güte des Verfahrens zu
prüfen, wurden alle Korrelationsbilder
eines Versuches übereinander gelegt oder als Videosequenz
betrachtet. Es zeigte sich, dass der Punkt der besten Korrelation
innerhalb eines Versuches tatsächlich konstant blieb.
Da bei einer Pflanze mehr als zehn Teilbilder
übereinander liegen konnten und zudem die Bilder beider Kameras
zusammengesetzt werden mussten, war dieses Verfahren für
die Auswertung ganzer Versuchsserien zu rechenintensiv. Selbst
mit einem neu erworbenen Rechner mit 900 MHz Taktrate dauerte
die Korrelation aller Bilder einer einzigen Pflanze mehrere Tage.
Deshalb wurde ein zweistufiges Verfahren angewendet, bei dem zunächst
jeweils nur einige scans eines Versuches in weiten Bereichen (10000
korrelierte Pixel, Rechenzeit ca. 1 min.) korreliert wurden. Diese
Vorergebnisse erlaubten dann, nur noch sehr kleine Bereiche aller
aufeinander folgenden Bilder zu korrelieren, was wesentlich rascher
zu Ergebnissen führte (250 korrelierte Pixel, Rechenzeit
ca. 1,5 s). Mit Hilfe dieser Endergebnisse wurden dann alle Bilder
eines Versuchs zu einem Gesamtbild zusammengesetzt.
Zur Sicherheit war bei den Versuchen zu jeder
Pflanze bei jedem scan noch ein Referenzbild aufgenommen worden.
Diese Bilder stammten von einem schwarzen Winkel, der auf der
Unterlage der Pflanzen mittels Klebefolie angebracht worden war.
Die Pflanzen standen genau über dem Winkel. Die Referenzbilder
sollten notfalls zur Korrelation der eigentlichen Bilder untereinander
dienen. Dank der mechanischen Präzision der Anlage konnte
hierauf jedoch verzichtet werden.
Wie bei der eindimensionalen Anlage mussten
auch bei der dreidimensionalen Anlage Unterschiede im Abbildungsmaßstab
der beiden Kameras berücksichtigt werden. Dieser Eichvorgang
wurde mit den zusammengesetzten Bildern in ähnlicher Weise
wie zuvor beschrieben durchgeführt.
2.4.3.8 Programme
zur Visualisierung von Wachstumsvorgängen, die auf lokalen
Helligkeitsunterschieden der Objekte basieren ("natürliche
Markierungen")
2.4.3.8.1 Visualisierungsprogramm
für nur eine Videokamera
Werden Hypokotyle verschiedener Pflanzenarten
mit einer hochwertigen Videokamera bei stärkerer Vergrößerung
und entsprechender Beleuchtung betrachtet, ist ein charakteristisches
Hell-Dunkel-Muster zu erkennen. Die lokalen Helligkeitsunterschiede
basieren vermutlich auf Reflexionen an Zellgrenzen, Unregelmäßigkeiten
der Kutikula und möglicherweise auch auf Zellorganellen.
Sie waren Orts-konstant und vermutlich mit einzelnen Zellen oder
Zellgruppen der Epidermis assoziiert. Somit ließen sie sich
als "natürliche Markierungen" verwenden, mit deren
Hilfe das lokale Wachstumsverhalten der Pflanzen beschrieben werden
konnte.
In einer ersten Programmversion, dem
Programm "xxx",
das noch für die erste Verfahreinheit und für nur eine
Kamera entwickelt worden war, wurde die Helligkeitsverteilung
im Verlauf des Stängels für jeden scan ermittelt. Grundlage
dafür war eine automatische Stängelerkennung, die die
Lage und den Verlauf des Stängels im Kamerabild ermittelte.
Da die Pflanzen lokale Krümmungen aufwiesen, die zeitlichen
Änderungen unterlagen, wurden zunächst alle Krümmungen
herausgerechnet, um ein "geradegezogenes" Bild der Pflanze
zu erhalten. Die Position der Stängelmitte wurde bestimmt
und in einer Auswertedatei abgespeichert.
In der ersten Programmversion wurden nur
die Informationen einer Kamera berücksichtigt. Deshalb konnten
Krümmungen der Pflanze, die genau auf die Kamera zu oder
von ihr weg erfolgten, nicht erfasst werden. Trotz dieser Einschränkung
war das Programm für eine erste Übersicht über
das Wachstumsverhalten gut geeignet. Als Fixpunkt diente dabei
die Hypokotylbasis, die auf der Unterlage festgewachsen war und
die über den gesamten Versuchsverlauf keine räumlichen
Veränderungen erfuhr.
Der Durchschnitt aller Helligkeiten über
den Stängelquerschnitt für jede einzelne Stängelhöhe
in einem scan wurde ermittelt und in einer Datei abgelegt. Diese
Auswertedatei erhielt die gleiche fortlaufende Nummer wie die
dazugehörige Bilddatei sowie eine Namenserweiterung, die
sie als Auswertedatei kennzeichnete.
Die Auswertedateien wurden sofort nach der
Aufnahme des jeweiligen Bildes erstellt. Die Entwicklung der Pflanzen
konnte also mit Hilfe dieser Dateien in Echtzeit verfolgt werden.
Für die Darstellung am Bildschirm wurde die durchschnittliche
Helligkeit jeder einzelnen Stängelhöhe als Grauwert
kodiert. Für jeden einzelnen scan wurden dann die Helligkeiten
für jede Stängelhöhe in einem ein Pixel breiten,
also sehr schmalen Streifen, auf dem Bildschirm dargestellt. Die
Höhe dieses Streifens war proportional zu der entlang des
Stängels gemessenen Länge der Pflanze zum Aufnahmezeitpunkt.
Abbildung 2-11:
Grauwertverteilung entlang
des Stängels, ausgewertet mit dem Programm "xxx".
Zur Darstellung wurden 200 gleiche Auswertstreifen nebeneinander
gelegt. Im gezeigten Ausschnitt ist ein applizierter Tropfen zu
sehen.
Zeitlich aufeinanderfolgende Streifen wurden
direkt nebeneinander abgebildet, was eine Darstellung der zeitlichen
Entwicklung von Helligkeitsverteilungen über den Stängel
ergab. Die Darstellung des Zeitverlaufs erfolgte in einem Fenster,
dessen Höhe auf die größte Pflanzenhöhe innerhalb
eines Versuchs skaliert war und dessen Breite sich aus der Summe
aller scans im jeweiligen Versuch ergab. Da die Pflanze im Lauf
eines Versuchs wuchs, waren die ersten Streifen natürlich
wesentlich kürzer als der letzte. Der Hintergrund des Fensters
oberhalb der einzelnen scans wurde blau dargestellt. Diese Darstellungsart
wird künftig als Zeitverlaufsfenster
bezeichnet.
Abbildung 2-12:
Zeitverlaufsfenster des Programms "xxx". Gerade gerechnete
Hypokotyle werden Helligkeits-kodiert als eine vertikale Pixelreihe
in ihrem zeitlichen Verlauf nebeneinander dargestellt. Im dargestellten
Fall dauerte die Registrierung drei Tage. Das Strecken der Hypokotyle
zeigt sich in der zunehmenden Länge. Von links nach rechts
verlaufende dunkle oder helle Kurven rühren von natürlichen
Markierungen des Hypokotyls her, senkrechte Bänder von Circumnutationen.
Mit dem Programm "xxx"
konnte das aktuelle Bild der
Pflanze in einem weiteren Fenster, künftig als Bildfenster
bezeichnet, angezeigt werden, indem eine beliebige Stelle des
Zeitverlaufsfensters angeklickt wurde. Bewegte man den Mauszeiger
im Zeitverlaufsfenster in Richtung der Zeitachse, wurde im Bildfenster
jeweils das Bild der Pflanze dargestellt, das der aktuellen (zeitlichen)
Position des Zeigers entsprach. Die Uhrzeit der jeweiligen Aufnahme
sowie die aktuelle Scannummer wurden dabei sowohl im Bildfenster
als auch im Zeitverlaufsfenster in Abhängigkeit von der Position
des Mauszeigers angezeigt.
Auch im Bildfenster bestand die Möglichkeit,
zeitlich zu navigieren. Das Bildfenster war so eingerichtet, dass
durch einmaliges Anklicken einer Stelle, die sich nur wenig rechts
der Bildmitte befand, jeweils das nächste Bild angezeigt
wurde. Klickte man nahe des rechten Bildrands auf das Bild, sprang
die Darstellung um 10 Bilder nach vorn. Proportional zur Entfernung
von der Bildmitte konnte durch Anklicken auch jedes n-te Bild
mit n<=10 erreicht werden. Analog konnten auch frühere
Bilder durch Klicken auf Bereiche links der Bildmitte angesteuert
werden. Durch mehrfaches Anklicken konnte das Wachstum der Pflanze
so als Zeitrafferfilm mit variabler Geschwindigkeit und Richtung
betrachtet werden.
2.4.3.8.2 Visualisierungsprogramm
zur Auswertung der Stereo-Bilddaten
Um die dreidimensionalen Bewegungen
der Versuchsobjekte über die Zeit erfassen zu können,
wurden die Auswerteprogramme "t2"
und "t4"
entwickelt, die die Daten beider Videokameras berücksichtigten.
Das Programm "t2"
führte die Stängelerkennung durch und speicherte die
Daten der Stängelmitte in jeder Pixelzeile ab. Das Programm
wurde für beide Stereobilder getrennt aufgerufen. Aus diesen
Daten und einem der Original-Stereobilder berechnete das Programm
"t4"
ein Kunstbild, das die Pflanze im geradegezogenen Zustand zeigte.
Der Ansatz für diese Programme glich dem Programm "xxx"
insofern, als auch hier zunächst die Bilder der einzelnen
Kameras geradegerechnet wurden. Die Lage der Stängelmitten
in Bezug zur Bildmitte und die Länge des jeweiligen (etwas
mehr als ein Pixel hohen) Stängelsegments wurde in dem Kunstbild
gespeichert. Um eine ganze Serie von Bildern auszuwerten, wurden
die Programme "t2"
und "t4"
durch das Auswertescript "aus"
algorithmisch für alle Aufnahmen eines Versuches gestartet.
Durch Kombination der Verschiebungsvektoren beider Kameras konnte
so die räumliche Lage der einzelnen Punkte der Pflanze beschrieben
werden.
Die ausgewerteten Dateien wurden mit
dem Programm "x1"
ähnlich wie zuvor im Programm "xxx"
beschrieben dargestellt, wobei allerdings die dreidimensionale
Ausrichtung der Pflanzen berücksichtigt wurde.
Zusätzlich wurde die horizontale Verteilung der Helligkeit
über den Stängelquerschnitt farblich kodiert. Hierzu
wurde der Stängel in einen linken, mittleren und rechten
Bereich eingeteilt. Den drei Bereichen wurde je eine der drei
Grundfarben der additiven Farbmischung rot, grün und blau
zugeordnet. Die durchschnittliche Helligkeit eines jeden Bereichs
wurde durch die Luminanz der entsprechenden Grundfarbe kodiert.
Für jeden scan wurde wieder ein ein Pixel breiter Streifen
in einem sogenannten "Zeitverlaufsfenster" auf den Bildschirm
geschrieben. Dabei wurden für jeden Stängelquerschnitt
die verschieden farbigen Darstellungen des linken, mittleren und
rechten Bereichs in einem Pixel addiert. Die absolute Helligkeit
über ein bestimmtes Stängelsegment wurde also mit der
Helligkeit der Darstellung des entsprechenden Pixels einkodiert.
Ob sich der hellste Bereich auf dem Stängel eher links, in
der Mitte oder rechts auf dem Stängel befand, ließ
sich an der Farbe des Pixels erkennen.
Das Programm "x1"
produzierte ein Zeitverlaufsfenster, das ähnlich aufgebaut
war wie im Programm "xxx".
Aufnahmen wachsender Hypokotyle lieferten Muster aus farbigen
Streifen. Diese Streifen stellten die von Krümmungen und
Neigung der Pflanze bereinigte, vertikale Verschiebung der einzelnen
"natürlichen Marker" über die Zeit dar.
Zeitverlaufsfenster |
scan 999, linke
Kamera |
scan 999, rechte
Kamera |
Abbildung 2-13: Links:
Ausschnitt aus dem Zeitverlaufsfenster
(Versuch LT_LL2_2), scans 500-999. Die horizontale Verteilung
der Helligkeit über den Stängelquerschnitt wurde farblich
kodiert. Hierzu wurde der Stängel in einen linken, mittleren
und rechten Bereich eingeteilt und den drei Bereichen je eine
der drei Grundfarben der additiven Farbmischung rot, grün
und blau zugeordnet. Die durchschnittliche Helligkeit eines jeden
Bereichs wurde durch die Luminanz der entsprechenden Grundfarbe
kodiert. Jeder scan ist ein ein Pixel breiter Streifen auf dem
Bildschirm, bei dem für jeden Stängelquerschnitt die
verschieden farbigen Darstellungen des linken, mittleren und rechten
Bereichs und die Helligkeit in einem Pixel addiert sind.
Rechts: Aufnahmen der linken
und rechten Kamera zum Zeitpunkt des letzten scans (999) des Zeitverlaufsfensters.
Der rote Streifen im unteren Bereich des Zeitverlaufsfensters
rührt von einer deutlichen Unregelmäßigkeit auf
dem Hypokotyl her.
Als Erweiterung des Programms "xxx"
war das Programm "x1"
auch mit einem "Videoplayer" "v2"
assoziiert, der durch Anklicken einer Schaltfläche gestartet
werden konnte. Bei eingeschaltetem Videoplayer wurden die korrespondierenden
Bilder als Film dargestellt. Diese Bilder sind keine Originalbilder,
sondern aus den Daten der Stängelerkennung generierte Kunstbilder.
Es konnte zwischen dem Bild der rechten und linken Kamera im Originalzustand
oder auch im gerade gerechneten Zustand gewählt werden. Außerdem
wurde eine Darstellungsweise zur Stereo-Betrachtung mit Hilfe
einer Rot-Grün-Brille vorgesehen. Mit dem Videoplayer kann
eine Serie von Bildern als Film vorwärts oder rückwärts
betrachtet werden. Es konnte eingestellt werden, ob jedes Bild
oder nur jedes n-te Bild angezeigt werden sollte. Hiermit ließ
sich eine Art schneller Vor- und Rücklauf erzielen. Bei laufendem
Player wurde die korrespondierende Stelle im Zeitverlaufsfenster
durch eine vertikal rote Linie markiert, die sich entsprechend
der Abspielgeschwindigkeit über das Fenster bewegte.
Abbildung 2-14:
Zeitverlaufsfenster mit Videoplayer
"v2". Der rote senkrechte Strich im Zeitverlaufsfenster
(links) markiert den Zeitpunkt des auf der rechten Seite gezeigten
Kunstbildes. Der rote Strich durch die Mitte des Stängels
zeigt den Verlauf der errechneten Stängelmittenlinie. Die
Kotyledonen werden bei der Auswertung nicht berücksichtigt
und im Kunstbild nicht dargestellt.
2.4.3.8.2.1 Darstellung
der Krümmung im Zeitverlaufsfenster
Neben der Darstellung von reinen Wachstumsbildern
wurden auch Verfahren entwickelt, mit denen die lokale Krümmung
des Stängels auf der jeweiligen Stängelhöhe dargestellt
werden konnte. Richtung und Betrag einer Krümmung wurden
durch Farbe und Farbintensität kodiert. Für die farbliche
Kodierung der Richtung bot sich ein spektraler Farbkreis an. Mit
ihm konnte jeder Richtung im Raum über einen Winkel von 360
° eine eigene Farbe zugewiesen werden. Der Betrag der Krümmung
wurde mit Farbsättigung und Helligkeit kodiert. Bei dieser
Auswertung wurden lokale Helligkeitsunterschiede der Stängelsegmente,
die für die Darstellung der Wachstumsbilder entscheidend
gewesen wären, nicht berücksichtigt. Ein solcher Kreis
konnte zum Vergleich neben dem Zeitverlaufsfenster abgebildet
werden.
Abbildung 2-15:
Farbkreis für die farbliche
Kodierung der Krümmungsrichtungen. Mit ihm wird für
jede Richtung im Raum über einen Winkel von 360 ° eine
eigene Farbe zugewiesen. Der Betrag der Krümmung wird mit
Farbsättigung und Helligkeit kodiert.
Versuche mit verschiedenen Varianten des
Farbkreises wurden durchgeführt. Die besten Ergebnisse und
die größte Anschaulichkeit wurde mit einem Kreis erreicht,
der in der Mitte dunkel gefärbt war (keine Krümmung).
Weiter zur Peripherie hin wurde die Intensität der dieser
Richtung entsprechenden Farbe immer größer. Eine andere
Variante des Farbkreises, bei der eine Krümmung mit dem Betrag
null durch ein reines Weiß kodiert wurde, und größere
Beträge durch eine größere Farbsättigung
eines weißen Hintergrunds dargestellt wurden, war weniger
übersichtlich.
Ein absolut ungekrümmtes Objekt, z.B.
eine Stahlnadel, die zu experimentellen Zwecken aufgenommen wurde,
kodierte, wenn es mit Krümmungsalgorithmen ausgewertet wurde,
mit der ersten Variante komplett schwarz, mit der zweiten Variante
rein weiß. Dies war unabhängig davon, ob die Nadel
senkrecht oder schief in bezug auf die Kameras stand.
Verschiedene Algorithmen zur Darstellung
der Krümmung wurden entwickelt, die im Programm "x1"
ausgewählt werden konnten.
Algorithmus
4: Die Farbkoordinaten u und v berechnen sich als die zweite
Ableitung über der Höhe der Stängelmittenachse,
d.h. der Krümmung.
Algorithmus
5: Um die Krümmung zu berechnen, muss zwei mal abgeleitet
werden. Für die erste Ableitung wurde hier nicht die Differenz
zweier direkt übereinander liegender Scheiben berechnet,
sondern die Differenz zweier in einem Abstand von 5 Pixeln liegender
Scheiben. Die zweite Ableitung, die das Krümmungsmaß
ist, wurde aus zwei sich so ergebenden aufeinander folgenden ersten
Differenzen berechnet.
Algorithmus
6: Die Berechnung der Krümmung erfolgte wie bei Algorithmus
5. Zusätzlich wurden Farbsättigung und Helligkeit mit
zunehmender Krümmung verstärkt, um den Betrag der Krümmung
optisch besser hervorzuheben.
Algorithmen
7-9: Die Berechnung der Krümmung erfolgte wie bei
Algorithmus 6. Für die erste Ableitung wurden hier nicht
die Differenz zweier im Abstand von 5 Pixeln übereinander
liegender Scheiben berechnet, sondern die Differenz zweier Scheiben
in einem für den Algorithmus bestimmenden Abstand. Der Abstand
war bei Algorithmus 7: 10
Pixel; bei Algorithmus 8:
35 Pixel, bei Algorithmus 9:
80 Pixel.
Gebogene, unbewegte Objekte, die über mehrere scans aufgenommen
wurden, ergaben charakteristische Farbmuster mit gleichfarbigen,
gleich hellen Streifen in Richtung der Zeitachse.
Abbildung 2-16:
Gebogener Draht: Bild der
linken und der rechten Kamera. Der Draht wurde
zur Veranschaulichung der Wirkungsweise der verschiedenen Algorithmen
unbewegt aufgenommen.
Algorithmus
4 |
Algorithmus
5 |
Algorithmus
6 |
Algorithmus
7 |
Algorithmus
8 |
Algorithmus
9 |
Abbildung 2-17:
Zeitverlaufsbilder des gebogenen
Drahts, der unbewegt aufgenommen und mit den verschiedenen Krümmungsalgorithmen
ausgewertet wurde. Algorithmus 4: Die Farbkoordinaten u und v
berechnen sich als die zweite Ableitung über der Höhe
der Stängelmittenachse, d.h. der Krümmung. Algorithmus
5: Krümmungsberechnung durch zweimalige Ableitung. Details
siehe Text. Algorithmus 6: Krümmungsberechnung wie bei Algorithmus
5, aber Farbsättigung und Helligkeit mit zunehmender Krümmung
verstärkt. Algorithmen 7-9: Krümmungsberechnung wie
bei Algorithmus 6. Für die erste Ableitung Differenz zweier
Scheiben im Abstand 10 Pixel, Algorithmus 8: 35 Pixel, Algorithmus
9: 80 Pixel
Neben den Algorithmen zur Darstellung der
Krümmung wurde auch ein "Verschiebungsalgorithmus"
entwickelt:
Algorithmus
2: Die Farbkoordinaten u und v berechnen sich als die erste
Ableitung über der Höhe der Stängelmittenachse,
d.h. der horizontalen Verschiebung übereinander liegender
gleich hoher Scheiben des gerade gerechneten Stängels zueinander.
Abbildung 2-18: Zeitverlaufsbild
des gebogenen Drahts, der unbewegt aufgenommen und mit dem Verschiebungsalgorithmus
ausgewertet wurde. Dabei werden die Farbkoordinaten u und v als
die erste Ableitung über der Höhe der Stängelmittenachse
(der horizontalen Verschiebung übereinander liegender gleich
hoher Scheiben des gerade gerechneten Stängels zueinander)
berechnet.
Der selbe gebogene Draht, der auf den Stundenzeiger
eines Weckers montiert und über mehrere Tage aufgenommen
worden war, zeigte einen typischen Farbverlauf, der das gesamte
Spektrum überstrich und sich nach 12 Stunden wiederholte.
Um die Animation
zu starten klicken Sie bitte auf das Player-Symbol der gewünschten
Version
(Durch Klick auf einen der Links können Sie den entsprechenden
Media-Player herunterladen)
Abbildung 2-19:
Gebogener Draht: Bild der linken Kamera
Algorithmus
4 |
Algorithmus
5 |
Algorithmus
6 |
Algorithmus
7 |
Algorithmus
8 |
Algorithmus
9 |
Abbildung 2-20:
Zeitverlaufsbilder eines gebogenen
Drahts, der auf den Stundenzeiger eines Weckers montiert worden
war und mit den verschiedenen Krümmungsalgorithmen (siehe
Abbildung 2-17) ausgewertet wurde.
Abbildung 2-21: Zeitverlaufsbild
des gebogenen Drahts, der auf den Stundenzeiger eines Weckers
montiert worden war und mit dem Verschiebungsalgorithmus (siehe
Abbildung 2-18) ausgewertet wurde.
Die Zeitverlaufsbilder von Algorithmus 4
waren deutlich von Rauschen behaftet, was teils von Unregelmäßigkeiten
der Drahtoberfläche, teils von Rundungsfehlern bei der Auswertung
und vom Rauschen der Kameras herrührt. Bei den Algorithmen
5 und 6, bei denen über eine Höhe von 5 Pixeln gemittelt
wurde, war das Rauschen weniger stark ausgeprägt. Algorithmus
7 lieferte bei diesem Objekt das beste Ergebnis. Die Algorithmen
8 und 9, bei denen über 35 bzw. 80 Pixel gemittelt wurde,
waren hier weniger gut geeignet. Das Mitteln über weit auseinander
liegende Bereiche führte zu verzerrten Ergebnissen.
Die Zeitverlaufsbilder des Verschiebungs-Algorithmus
2 waren wenig mit Rauschen behaftet, da hier im Gegensatz zu den
Krümmungsalgorithmen nur einmal abgeleitet werden musste.
2.4.3.9 Horizontale
Filterung der mit den Krümmungsalgorithmen ausgewerteten
Zeitverlaufsbilder
Bei der Auswertung war es wichtig, zeitliche
Änderungen der Krümmung des Hypokotyls darzustellen.
In den mit den Algorithmen 4 bis 9 ausgewerteten Zeitverlaufsbildern
wurden die Krümmungen des Stängels für jede Stängelhöhe
und für jeden scan farblich kodiert dargestellt. Dadurch
erschienen statische Krümmungen des Stängels, d.h. Krümmungen,
die sich über längere Zeit nicht veränderten, als
horizontale, farbige Banden. Diese überlagerten häufig
kleine Veränderungen. Um kleine Krümmungsänderungen
besser darzustellen, wurde versucht, einen Bildpunkt durch die
Farbdifferenz zum horizontalen folgenden Nachbarbildpunkt zu ersetzen.
Das bedeutet eine ausschließlich horizontale Differenzierung
des Bildes. Das Verfahren liefert natürlich auch negative
Differenzen. Um sie überhaupt darstellen zu können,
wurde zu allen Werten ein mittleres Grau addiert. Dieses Verfahren
lieferte zunächst fast rein graue Zeitverlaufsbilder. Um
die kleinen Änderungen besser erkennen zu können, wurden
vor der Addition des Grauwerts die gebildeten Differenzen mit
einem "Verstärkungsfaktor" größer eins
multipliziert. Es ergaben sich jedoch stark verrauschte Bilder,
in denen die erhofften kleinen systematischen Veränderungen
nur sehr schwach hervortraten. Die uns interessierenden Periodendauern
von größer als 30 Minuten wurden von höherfrequenten
Änderungen, die sich aus Kamerarauschen, kleinen Fehlern
bei der Stängelerkennung und sonstigen von Bild zu Bild variierenden
Ungenauigkeiten ergaben, überlagert. Deshalb wurde hinter
den Differenzierer ein Tiefpass mit einstellbarer Grenzfrequenz
gesetzt.
Im einzelnen wurde dabei wie folgt vorgegangen:
Aus dem farbigen Zeitverlaufsbild wurden Pixel für Pixel
die Rot-, Grün- und Blauwerte (RGB-Werte) in Helligkeits-
und Farbwerte umgerechnet, wobei die Farbwerte in der u- und v-
Ebene beschrieben wurden (YUV-Werte). Daraus ergaben sich drei
getrennte Bilder, die jedes für sich gefiltert und anschließend
wieder in RGB-Werte zurückgerechnet wurden. Das dabei verwendete
Filter war ein lineares, nicht rekursives Filter in Direktform:
Jeder berechnete Bildpunkt ergab sich als Linearkombination aus
einer bestimmten Anzahl seiner Vor- und Nachfolger in ausschließlich
horizontaler Richtung. Dem Filterprogramm wurden die Koeffizienten
des zu berechnenden Filters als Parameter übergeben. Durch
entsprechende Parameterwahl konnte dadurch entweder ein reiner
Tiefpass, ein Differenzierer, eine Kombination aus beiden oder
ein Filter mit anderem Frequenzgang realisiert werden. Dazu gab
es ein Filterentwurfsprogramm, bei dem man die Grenzfrequenz des
Tiefpasses angeben konnte. Das damit berechnete Filter hatte einen
dreieckigen Frequenzgang, der bei Frequenz Null mit dem Wert Null
begann und bis zur Grenzfrequenz linear anstieg. Bei höheren
Frequenzen erreichte die Amplitude wieder Null.
Dieses Verfahren wird nachfolgend kurz als "horizontale Filterung"
bezeichnet.
2.4.3.10 Software
zur Datenarchivierung
Zur Archivierung und späteren Auswertung
mit anderen Bildverarbeitungsprogrammen wurden die Rohdaten auf
CD-ROM geschrieben. Dies erfolgte stets Kanalweise, d.h. die gesamten
Versuchsdaten einer einzelnen Pflanze wurden in einem einzelnen
Verzeichnis abgelegt. Einzelne Verzeichnisse wurden dabei nicht
auf mehrere CD-ROMs verteilt, um die Entwicklung einer Pflanze
über die ganze Versuchsdauer hinweg auf einem Datenträger
betrachten zu können. Durchschnittlich bestand ein Versuch
aus 15 Kanälen (Pflanzen). Um den Speicherplatz einer CD-ROM
gut auszunutzen, wurde ein kleines Programm geschrieben, das die
optimale Verteilung der unterschiedlich großen Kanäle
automatisierte. Aufeinanderfolgende Versuche wurden hintereinander
auf CD-ROM geschrieben.
Da beim Schreiben von CD-ROMs Fehler
auftreten können, wurde ein Vergleichsprogramm entwickelt.
Die geschriebenen Daten wurden mit den Daten auf der Festplatte
verglichen. Waren keine Fehler aufgetreten, wurden die Daten automatisch
von der Festplatte gelöscht und der Speicherplatz für
weitere Versuche freigegeben.