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Die Fundmünzen der Aalener Kastellgrabungen von 1978—1986


von Ulrich Klein


In den Jahren 1978—1986 wurden auf dem Gelände des Aalener Kastells umfangreiche Ausgrabungen durchgeführt. Ihr Ziel war die Untersuchung des für die Erweiterung des Limesmuseums benötigten Areals und vor allem die Freilegung der Reste des Stabsgebäudes (Principia). Sie wurden ja anschließend restauriert und in die Anlage des Museums mit einbezogen. Zu den Funden, die bei diesen Ausgrabungen zutage kamen, gehörten auch 146 Münzen. Es handelte sich dabei um 137 römische und 9 neuzeitliche Ausgaben. Die römischen Gepräge bereicherten den bisher bekannten Bestand der Aalener Fundmünzen beträchtlich. Er umfaßte bis 1978 etwa 170 Stück, deren tatsächlicher Fundcharakter aber in vielen Fällen fraglich ist und von denen nur knapp 80 mit mehr oder weniger großem Vorbehalt für eine Auswertung herangezogen werden können.

Nachdem schon Einzelstücke oder auch umfangreichere Gruppen der neu gefundenen römischen Münzen in den „Archäologischen Ausgrabungen in Baden-Württemberg“ der Jahre 1981—1985 vorgestellt wurden und nachdem Dieter Planck verschiedentlich auf ihre Bedeutung für die Datierung des Aalener Kastells hingewiesen hat, soll nun hier ein kurzer erster Gesamtüberblick gegeben werden. Er ist in mancher Hinsicht noch vorläufig, da noch nicht alle Münzen restauriert sind und da die Bestimmungen verschiedener schlecht erhaltener Stücke noch einmal überprüft werden müssen.

Schon seit 1983 — d. h. seit dem 13. Internationalen Limeskongreß — ist im Limesmuseum eine Auswahl von 32 besser erhaltenen römischen Münzen aus der Reihe der Neufunde ausgestellt. Sie wurde dann 1989 anläßlich des 25jähigen Bestehens des Museums auf 65 erhöht. Bis auf wenige Ausnahmen können so alle einigermaßen „vorzeigbaren“ Fundmünzen der Grabungen derJahre 1978-1986 in unmittelbarer Nähe ihres Fundorts besichtigt werden.



Schatzfund im Aerarium


In Hinsicht auf die Grabungsbefunde, bei denen die römischen Münzen zum Vorschein kamen, sind im großen ganzen zwei Komplexe zu unterscheiden:

Der eine umfaßt die über die gesamte Grabungsfläche verteilten Einzelfunde, der andere besteht aus den Stücken, die speziell aus der Verfüllung des Kellers unter dem Fahnenheiligtum geborgen wurden. Die Massierung der Fundmünzen gerade an dieser Stelle legt den Schluß nahe, daß es sich dabei zumindest teilweise um den Rest eines zerstreuten Münzschatzes handelt.

Die Münzen dürften schon im Mittelalter durch die Anlage und den Betrieb der hier eingebauten Kalkbrennöfen durcheinandergebracht und dann vor allem auch durch Feuer- oder Hitzeeinwirkung in Mitleidenschaft gezogen worden sein. Diesem vermuteten Schatz können unter gewissen Einschränkungen versuchsweise noch insgesamt 70 Münzen, also etwas mehr als die Hälfte des gesamten römischen Fundbestands, zugewiesen werden. So wird beispielsweise vorausgesetzt, daß sich der Schatz nur aus Silbermünzen (also Denaren und Antoninianen) zusammensetzte und möglicherweise auch einzelne subärate Stücke (also zeitgenössische Kupferfälschungen mit einem Silberüberzug) enthielt. Dagegen werden die an der gleichen Stelle gefundenen acht Kupferprägungen als nicht zugehörig den Einzelfunden zugeschlagen. Ihre relativ große Zahl dürfte eher auf die hier angewandte „verfeinerte“ Ausgrabungsmethode zurückzuführen sein, der gemäß ja die gesamte Kellerverfüllung geschlämmt wurde.

Die auf diese Weise rekonstruierte Münzreihe des Schatzes aus dem Keller des Fahnenheiligtums setzt mit sieben durchweg stark abgenutzten Legionsdenaren des Marc Anton aus dem Jahre 32/31 v.Chr. ein. Nach fünf Prägungen der Kaiser Nero, Vespasian,Trajan und Hadrian (aus dem Zeitraum von etwa 64—132 n. Chr.) verdichtet sie sich dann mit 11 Ausgaben aus antoninischer Zeit (ca. 141-181 n. Chr.). Ihren Höhepunkt erreicht sie in nicht weniger als 40 Geprägen verschiedener Angehöriger des severischen Kaiserhauses (aus den Jahren 194 bis etwa 228 n. Chr.), um schließlich in drei einzelnen Stücken des Philipp I (ca. 244—247 n. Chr.), Philipp II (ca. 244—246 n. Chr.) und Aemilian (253 n. Chr.) auszulaufen. Gerade diese „Schlußmünzen“ dürfen als Anhaltspunkt dafür gelten, daß der Schatz wohl im Zusammenhang mit der Bedrohung durch die Alamannen in den späteren fünfziger Jahren des 3.Jh. n. Chr. verborgen wurde und „daß das Ende des Aalener Kastells nicht vor 259/ 260 n. Chr. anzusetzen ist“. Bei vier Stücken dieses Komplexes ist dagegen keine Bestimmung mehr möglich. Eine schematische Übersicht über alle 70 Münzen, von denen 48 auf der Doppeltafel abgebildet sind, ergibt folgendes Bild:





Münzherr Stückzahl Abb.



Mark Anton 43—3 1 v. Chr. 7 1,2


Nero 54—68 n. Chr. 1 3


Vespasian 69—79 n. Chr. 2 4,5


Trajan 98—117 n.Chr. 1 6


Hadrian 117—138 n.Chr. 1 7


Antoninus Pius 138—161 n.Chr. 3 8-10


Für Faustina l 2 11,12


für Mark Aurel 1


für Faustina II 2 13,14


Lucius Verus 161-169 n. Chr.


für Lucilla 1 15


Commodus 180-192 n. Chr. 1 17


für Mark Aurel 1 16


Septimius Severus 193—211 n. Chr.


Münzstätte Rom 11 18-24


Münzstätte Emesa 6 25-29


für Julia Domna 3 30,31


für Geta 1 32


Caracalla 211—217 n.Chr. 1 33


Elagabal 218—222 n.Chr.


Münzstätte Rom 2 34,35


östl. Münzstätte 1 36


für Julia Maesa 2 37,38


Severus Alexander 222—235 n. Chr.


unbest.Münzstätte 1 39


Münzstätte Rom 8 40-43


östl. Münzstätte 1


für Julia Mamaea 3 44,45


Philippus I Arabs 244-249 n. Chr. 1 46


für Philippus II 1 47


Aemilian 253 n. Chr. 1 48


Unbestimmbar 4






Einzelfunde


Von den 67 als Einzelfunde klassifizierten römischen Münzen stammt eine, und zwar ein subärater Denar des Maximinus Thrax (235—238 n. Chr.), nicht vom Areal des Kastells, sondern aus der 1979 in der Friedhofstraße durchgeführten Notbergung. Ähnlich wie bei dem rekonstruierten Münzschatz aus dem Keller des Fahnenheiligtums stehen auch bei den Einzelfunden einige abgeschliffene Legionsdenare von Mark Anton am Anfang der „Münzreihe“. Dann folgen bis in severische Zeit überwiegend zum Teil stärker abgenützte Kupferprägungen und einige Denare des 1. und 2.Jh. n. Chr., die - etwa gerade auch im Gegensatz zu dem »Schatz« aus dem Fahnenheiligtum — die fast ausschließlich aus Denaren bestehenden Gepräge des 3.Jh. n.Chr. zahlenmäßig um einiges übertreffen. Die spätesten Einzelfunde sind zwei Münzen Gordians III vom Beginn der vierziger Jahre des 3.Jh. n. Chr. Wie schon bei den Münzen aus dem Keller des Fahnenheiligtums fällt auch bei den Einzelfunden auf, daß die Prägungen des Severus Alexander nicht über das Jahr 228 n. Chr. hinausreichen. Man fragt sich unwillkürlich, ob das Fehlen von Emissionen aus den späteren Regierungsjahren dieses Kaisers durch den Alamanneneinfall des Jahres 233 n. Chr. bedingt ist.


Abb. 174. Die Ann. 174, 174a, 175 und 175a Römische Fundmünzen der Aalener Kastellgrabungen von 1978 – 1986.
Abb. 174a
Abb. 175
Abb. 175a


Münzen aus dem Estrich


Verschiedene Stücke kamen übrigens im Zusammenhang mit bemerkenswerten Befunden zutage. So fanden sich 1984 im Estrich eines der rückwärtigen Räume des Stabsgebäudes ein nicht mehr näher bestimmbarer As oder Dupondius des 1./2.Jh. n. Chr. und ein nahezu stempelfrischer Denar des Severus Alexander aus dem Jahre 227 n. Chr. (Abb. 75). Dieser Fund, der die Aufbringung des Estrichs in die Zeit nach 227 n. Chr. datiert, veranlaßte die Ausgräber, auch den schon 1983 freigelegten Estrich in der Apsis des Fahnenheiligtums vollständig auszubrechen und auf ähnliche Befunde hin zu untersuchen. Überraschenderweise wurden dabei ein seltener Aureus des Vespasian (Abb. 51) und ein Legionsdenar des Mark Anton (Abb. 49) entdeckt. Die im Jahre 72 n. Chr. in Antiochia geprägte Goldmünze des Vespasian, die schon verschiedentlich abgebildet und mehr oder weniger eingehend gewürdigt wurde, könnte möglicherweise als Bauopfer verwendet worden sein. Eine andere Frage, die schon von Bernhard Hildebrand gestellt wurde, ist, ob man für das Fahnenheiligtum im Lager der Ala II Flavia milliaria dabei bewußt auf eine Prägung des Begründers der flavischen Dynastie zurückgegriffen hat. Bei dem an gleicher Stelle gefundenen Legionsdenar des Mark Anton handelt es sich um das einzige Aalener Fundexemplar dieser Münzsorte, auf dem man noch die Zahl der betreffenden Legion, nämlich 13, lesen kann.




Numismatische Besonderheiten


Auch in numismatischer Hinsicht befinden sich unter den Aalener Fundmünzen einige bemerkenswerte Stücke. So gehören zu einer ganzen Reihe subärater Münzen unter anderem zwei in der Literatur nicht nachweisbare hybride Ausgaben mit nicht zusammenpassenden Vorder- und Rückseiten, und zwar Denare der Faustina I (Abb. 61) und des Severus Alexander (Abb. 39).

Zwei Kupferstücke dürften daneben unter die Kategorie der sogenannten Limesfälschungen fallen (vgl. Abb. 77, vermutlich nach einem Vorbild des Severus Alexander). Eine nach Prägemetallen (AV= Gold, AR = Silber, AE = Kupfer bzw. Messing) differenzierte Übersicht über die 66 Einzelfunde aus dem Aalener Kastell, von denen 31 auf der Doppeltalfel II (S.000) wiedergegeben sind, hat folgendes Aussehen:



Stückzahl

Münzherr AV AR AE Abb.



Mark Anton 43-31 v. Chr. 3 49


Nero 54—68 n. Chr. 1 50


Galba 68/69 n. Chr. 1


Vespasian 69—79 n. Chr. 1 1 51,52


Vespasian

oder Titus 69-81 n.Chr. 1 53


Domitian 81-96 n. Chr. 1


Nerva 96-98 n. Chr. 1 1


Trajan 98—117 n.Chr. 1 1


Hadrian 117-138 n.Chr. 7 54,55

für Aelius 1


Antoninus Pius

138—161 n.Chr. 1 6 56,57,59,60


für Faustina I 1 1 61


für Mark Aurel 1 2 58,62


für Faustina II 1 1


Mark Aurel

161—180 n.Chr. 1 63


für Faustina I 4 65


Lucius Verus 161-169 n.Chr. 1 64


Commodus 180-192 n.Chr. 1


Septimius Severus 193—211 n. Chr.


Münzstätte Rom 2

östliche Münzstätte 1 66



für Julia Domna 1


für Caracalla 1 67


Caracalla 211—217n.Chr. 1 68


Elagabal 218—222 n.Chr. 1 69


für Julia Maesa 1 70


Severus Alexander
222—235 n.Chr.
7 1? 71-75,77


für Julia Mamaea 1 76


Gordianus III 238-244 n. Chr. 1 1 78,79


Unbestimmbar 5









Neuzeitliche Münzen


Bei den neun neuzeitlichen Geprägen handelt es sich, abgesehen von einem Nürnberger Rechenpfennig des ausgehenden 18.Jahrhunderts, ausschließlich um mäßig erhaltene süddeutsche Kleinmünzen des 17-19. Jahrhunderts, die vermutlich bei der Feldarbeit verloren gingen. In chronologischer Reihenfolge sind es ein Ulmer Pfennig aus der Zeit nach 1621, ein Augsburger Heller von 1722, ein württembergischer Kreuzer von 1781, ein Ulmer Heller aus der 2. Hälfte des 18.Jahrhunderts, ein bayerischer Kreuzer König Maximilians I Joseph (1806—1825), ein Pfennig desselben Regenten von 1815, ein württembergischer Kreuzer von 1852 und eine nicht mehr bestimmbare Kleinsilberprägung (wahrscheinlich 1 Kreuzer) des 18./19.Jahrhunderts.


Lit.: Bernhard Hildebrand, Neue romische Munzfunde aus Aalen, in: AalenerJahrbuch 1986, 13-20, hierzu 13-16. — Ulrich Klein, Fundenünzen aus Württemberg, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1981, Stuttgart 1982,207-211, hierzu 209.— Ders. 1983, Stuttgart 1984,18-26, hierzu 18-20. —Ders. 1984, Stuttgart 1985,265-272, hierzu 268 f. —Ders. 1985, Stuttgart 1986,20-30, hierzu 23 f. —Verschiedene Grabungsberichte von Dieter Planck, besonders in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1981, Stuttgart 1982, 179.—Dto. 1982, Stuttgart 1983,153 f. mit Abb. 132.—Dto. 1983,Stuttgart 1984, 161.—Dto. 1984,Stuttgart l985, 156.— Weiterhin in: Aalener Jahrbuch 1984, 32 (Abb.19), 34/35. — Ebda. 1988, 71/72 mit Abb. 13.- Ders., Untersuchungen im Alenkastell Aalen, Ostalbkreis, in: Studien zu den Militärgrenzen Roms III (13. Internationaler Limeskongreß, Aalen 1983, Vorträge = Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Band 20), Stuttgart 1986, 247-255, bes. 252-254. Vgl. außerdem zu den älteren Aalener Fundmünzen Karl Christ, Antike Münzfunde Südwestdeutschlands (Vestigia, Band 3/I und II). Heidelberg 1960, I 127, 134.- Die Fundmünzen der römischen Zeit in Deutschland,Abteilung II Baden-Württemberg,Band 4: Nordwürttemberg, bearbeitet von Karl Christ, Berlin 1964,23-28.-Elisabeth Nau, Funde antiker Münzen in Württemberg und Hohenzollern, in: Fundberichte aus Schwaben, N. F. 16, 1962, 306 (Nr. 154/155).—Dto.,N. F. 18/II, 1967, 174 f. (Nr. 156-161). - Dto. in: Fundberichte aus Baden-Württemberg, Band 2, 1975, 332 (Nr.162/163). — Dto., Band 5,1980.291 f. (Nr. 164-168). —Dto., Band 10,1985,634 (Nr.169/170). — Dieter Planck, in: Aalener Jahrbuch 1980, 41-43.







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