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Archäologisches Experiment

Test von Kleidung, Ausrüstung und Bewaffnung



Muli Mariani — Maulesel des Marius


Marsch in römischer Legionarsrüstung über die Alpen


Anläßlich der 2000-Jahr-Feier von Augsburg/Augusta Vindelicum, Hauptstadt der Provincia Raetia, marschierte Dr. Marcus Junkelmann (Militärhistoriker, Oberleutnant d. R.) im Jahre 1985 mit 8 Kameraden in der Ausrüstung der Legionare der Legio XXI rapax in Erinnerung an den Räterfeldzug 15 v. Chr. auf der ehemaligen Vormarschroute des Drusus von Verona über die Alpen nach Augsburg. Im Sommer des Jahres 15 v. Chr. hatten die beiden kaiserlichen Adoptivsöhne Drusus und Tiberius 45 Alpenstämme und die in den Alpen und im Alpenvorland wohnenden Räter und Vmdelicer besiegt. Gleichzeitig besetzten römische Truppen das mit Rom befreundete Königreich Noricum (Osterreich) friedlich bis zur Donau. Nach dem Räterfeldzug 15 v. Chr. wurden Oberschwaben und Bayern bis zur Donau und Noricum (Osterreich) römisch.


Abb. 176 Ankunft der römischen Reiter vom Limesritt

Rekonstruktion der Ausrüstung


In Gemeinschaftsarbeit haben Marcus Junkelmann und seine Freunde nach bildlichen Darstellungen, schriftlichen Zeugnissen und den erhaltenen Originalen Kleidung, Ausrüstung und Bewaffnung der Legionare des 1.Jh.v. Chr. rekonstruiert. Endlich war es soweit. Am 25. April 1985 verließen die mit 29 kg feldmarschmäßig bepackten Legionare (milites impediti) Verona und marschierten auf der Feldzugsroute des Jahres 15 v. Chr. in 21 Tagen über den Brenner nach Augsburg/Augusta Vindelicum (540 km). Es wurden täglich im Durchschnitt 25 km marschiert. Geschlafen wurde in Zelten. Die Verpflegung bestand aus dem mit der Steinmühle geschroteten Korn, das zu Brei gekocht oder auf heißen Steinen gebacken wurde. Es gab Speck und Käse aus der eisernen Ration. Frischfleisch — wenn vorhanden — wurde am Lagerfeuer gebraten und frisches Gemüse gekocht oder roh verspeist. Getränk war Rotwein. Das Essigwasser in den Feldflaschen wurde nur während des Marsches „genossen“. Marcus Junkelmann hat über die Ergebnisse dieses Marsches berichtet.


Lit.: Marcus Junkelmann, Muli Mariani - Marsch in römischer Legionarsausrüstung über die Alpen, in: Limesmuseum Aalen 36, 1985.—Die Legionen des Augustus, in: Kulturgeschichte der antiken Welt, Band 33 (Philipp von Zabern, Mainz 1986).- Ders., Bd. 45 Die Reiter Roms Teil I ; -Bd.49 Teil 2; -Bd.53 Teil 3. Ders., Reiter wie Statuen aus Erz (Mainz 1996)




Römische Kavallerie - Equites Alae


Das Limesmuseum konnte Dr. Marcus Junkelmann und seine Freunde auch für die Erforschung der römischen Reiterausrüstung und die Bewaffnung der Reiter der Ala II Flavia milliaria gewinnen. Es wurde vereinbart, die Erkenntnisse der Übungsritte am obergermanisch-rätischen und niedergermanischen Limes zu publizieren und in einer Figurine im Limesmueum zu dokumentieren. Eine großzügige Spende von Herrn Axel Guttmann, Berlin, hervorragender Kenner und Sammler antiker Waffen und Rüstungen, ermöglichte das Vorhaben. Frau Dr. med. Luise Vormann unterstützte das Unternehmen mit großzügigen Spenden.

Herr Oberbürgermeister Ulrich Pfeifle, Herr Bürgermeister Dr. Eberhard Schwerdtner, Herr Oberamtsrat Walter Funk und der Gemeinderat von Aalen haben immer wieder geholfen, wenn es Engpässe gab. Frau Angela Paysan, passionierte Wanderreiterin, beriet beim Ankauf der Pferde in der Camargue. Die Camargue-Pferde kommen den Pferden in römischer Zeit sehr nahe.

Zunächst hat Marcus Junkelmann damit begonnen, mit erfahrenen Fachleuten des In- und Auslandes Zaumzeug, Riemenverteiler und vor allem den römischen Hörnchensattel zu rekonstruieren und zu erproben. Schloß Ratzenhofen in Niederbayern wurde Übungslager der Ala II Flavia milliaria. Hier wurden die Pferde mit viel Idealismus, Einsatzbereitschaft, Interesse und unendlicher Geduld unter fachmännischer Anleitung zugeritten und an das römische Zaumzeug sowie die am Sattel befestigten Kasserollen, Geschirre, Ledertaschen gewöhnt.





Erster Limesritt von Eining zur Saalburg 1988


Übungslager am Meer bei Rom 1989


Limesritt von der Nordsee nach Aalen 1990


Im Juli 1988 konnte die Ausrüstung zum ersten Male auf einem vierwöchigen Ritt entlang des Limes von Eining an der Donau bis zur Saalburg im Taunus erprobt werden. Im Sommer 1989 folgte ein vierwöchiges Übungslager am Meer bei Rom, um das Gefechtsreiten einzuüben. Im Sommer 1990 begann der Limesritt an der Nordsee entlang des niedergermanischen, obergermanischen und rätischen Limes bis zum Stammlager der Ala II Flavia pia fidelis milliaria in Aalen. Außer der Kampf- und Marschausrüstung wurde auch die Parade- und Turnierrüstung rekonstruiert und praktisch erprobt. Die Limesritte von Decurio Marcus und seinen Freunden haben die Ala II Flavia milliaria und damit auch das Limesmuseurn Aalen im In- und Ausland bekannt gemacht.

Auf dem Gelände des Kastells Aalen werden seitdem immer wieder Zeltlager aufgeschlagen und den Museumsbesuchern das römische Lagerleben vorgeführt sowie das Übungs- und Gefechtsreiten der Ala II Flavia milliaria.


Abb. 177 Römisches Zeltlager beim Limesmuseum Aalen


Experimentelle Archäologie


Antike Eisenverhüttung auf der Ostalb


Als Beitrag zum Deutschen Bergmannstag 1991 in Aalen hat Hans-Peter Kuhnen in Zusammenarbeit mit dem Landesdenkmalamt im Limesmuseum die Ausstellung „Antike Eisenverhüttung auf der Ostalb. Vom Rennfeuer zum Spitzbarren“ aufgebaut (Dauer derAusstellung: vom 12.5. bis 25.8. 1991).Ausgangspunkt ist ein Forschungsprojekt, das vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, dem Deutschen Bergbaumuseum Bochum und von der Stiftung Volkswagenwerk getragen wird.

In der Ausstellung wurden die neuesten Ausgrabungsergebnisse an keltischen, römischen und alamannischen Eisenverhüttungsplätzen der Ostalb gezeigt.



Rennfeueröfen beim Limesmuseum


Oberstudienrat Hermann Huber vom Werkgymnasium Heidenheim zeigte den Verhüttungsvorgang in zwei Rennfeueröfen, die er nach Grabungsbefunden hinter dem Limesmuseum aufgebaut hat. Zunächst wird mit Holzkohle vorgeheizt. Sodann wird der Ofen von oben mit einem Gemisch aus Bohnerz und Holzkohle beschickt. Durch Gebläsedüsen wird eine Temperatur von ca. 1200° erreicht, bei der sich das im Bohnerz enthaltene Nebengestein verflüssigt, während das reduzierte Eisen als weiche, teigige Masse („Luppe“) auf den Boden des Schachtofens durch“rennt“. Ein Verhüttungsvorgang dauert etwa 36 Stunden. Die Besucher konnten bei der Ausstellungseröffnung vom Anheizen bis zum Öffnen eines Rennfeuers alle Stadien des Verhüttungsvorganges beobachten.

Nach dem Öffnen der Öfen hat der Renninger Kunstschmied Gerhard Längerer das beim Zerlegen des Schlackenkuchens gewonnene Rennfeuereisen auf dem Amboß zu Barren geschmiedet.



Lit.: Martin Kempa, Antike Eisenverhüttung auf der Ostalb. Zwei Jahre archäiometallurgische Forschungen. Archäologische Informationen aus Baden-Württemberg, Heft 20 (Stuttgart 1991).


Abb. 178 Rennfeuerofen in Betrieb
Abb. 179 Schmieden des gewonnenen Eisens (Luppe)







Mehr als 30 000 Liter Wasser täglich aus der Aal für mehr als 1000 Pferde der Ala II Flavia milliaria


Im Kastell Aalen sind bis jetzt 3 Brunnen ausgegraben worden, deren Wasser für die Versorgung der mehr als 1 000 Reiter und Pferde der Ala natürlich nicht ausreichte. Es wurden täglich weit mehr als 30 000 Liter Wasser für die Versorgung der mehr als 1000 Pferde der Einheit benötigt. Ein Pferd braucht täglich etwa 30 Liter Wasser. Demnach mußte für die Wasserversorgung der Ala II Flavia milliaria das Flüßchen Aal angezapft werden, das sich auf der rechten Lagerseite bis auf 80 m dem Ausfallstor (porta praetoria) des Kastells nähert. Das Flüßchen Aal war die Voraussetzung für die Ortswahl des Kastells.

Wie das Legionlager Neuß/Novaesium in der Provincia Germania inferior (Niedergermanien) und Kastell Oberstimm in der Provincia Raetia durch Wasserschöpfräder (rotae in fluminibus), wie sie Vitruv de architectura 5,1 beschreibt, mit Wasser aus dem Rhein und der Brautlach versorgt wurden, so bekam die Ala II Flavia milliaria durch Wasserschöpfräder Wasser aus der Aal. Das entnommene Wasser konnte an alle Orte im Lager und im Lagerdorf durch Wasserleitungsrohre aus Holz, Ton, Blei, Ziegel, gemauerte Kanäle etc. gebracht werden.

Neuere Forschungen haben ergeben, daß die St.Johanniskirche zur römischen Siedlung beiderseits der Aal gehört. Das Gründungsdatum des Lagerdorfes der Ala II Flavia milliaria (Auxiliarvicus), das in der Nachfolgesiedlung weiterlebt, ist durch die Bauinschrift des Steinkastells in das Jahr 163/164 n.Chr. bezeugt.




Lit.: Klaus Grewe, Römische Wasserleitungen nördlich der Alpen. Die Wasserversorgung militärischer Anlagen und Kastelle, in: Die Wasserversorgung antiker Städte Bd.3 (Philipp von Zabern Mainz 1994) 47 (Neuss/Novaesium), 48 (Oberstimm). ISBN 3-8053-0984-8. - Ph.Filtzinger, Handbuch der Baden-Württembergischen Geschichte (Klett-Cotta 2001) 177 ff.


Zum Thema Wasserversorgung des Aalen-Lagers können Sie auch folgenden Artikel lesen: Wasser aus der Aal für die Ala II Flavia Milliaria


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philipp.filtzinger@uni-tuebingen.de