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15. Stuttgart-Bad Cannstatt,

Fernverkehrszentrale am mittleren Neckar


Das römische Stuttgart-Bad Cannstatt war mit zwei Beneficiarierstationen links und rechts des Neckars die Fernverkehrszentrale, gewissermaßen die „Drehscheibe am Neckar“ des Fernverkehrs vom Rhein zur Donau. An der Straßenstation (statio) Cannstatt/Steig, vor dem rechten Lagertor (porta principalis dextra) des Kastells Cannstatt trafen die Fernstraßen von Mainz/Mogontiacum, Straßburg/Argentorate und Wimpfen/ Vicus Alisinensium zusammen.

Die vereinigte Fernstraße überquerte den Neckar am Gittersteg und führte zur heutigen Uffkirche, wo bei der dortigen Straßenstation (statio) sich die Straßen wieder teilten: eine Straße führte durch das Remstal über Aalen nach Regensburg/Castra Regina. Die andere Straße verlief durch das Filstal über Urspring nach Augsburg/Augusta Vindelicum.

Von der Straßenstation Cannstatt/Steig führte die Nord-Süd-Straße links des Neckar über Köngen/ Grinario - Rottenburg/Sumelocenna nach Windisch/ Vindonissa in die Nordschweiz.

Am Neckarübergang der Rhein-Donau-Straße entwickelte sich später aus der römischen Siedlung das mittelalterliche Cannstatt, das auch weiterhin seine Bedeutung als wichtiger Straßenknotenpunkt für den Nord-Süd- und Ost-West-Handel behielt Vom Anfang des 17. Jahrhunderts bis 1806 war Cannstatt Sitz der Taxis‘schen Reichspostmeister, denen die Postämter von Schaffhausen bis Frankfurt und von Nürnberg bis Kehl unterstanden. Erst mit dem Bau der Eisenbahnen verlagerte sich im 19. Jahrhundert die Verkehrszentrale von Cannstatt nach Stuttgart.






Karte:

Zwei Beneficiarierstationen in Stuttgart-Bad Cannstatt.

Alenkastell in Cannstatt-Steig, römische Zlvilsiedlung (vicus), Straßenstation in Cannstatt/Steig und Cannstatt/Uffkirche. Verlauf der römischen Straßen.






Straßenbau - Polizeistationen


Für den Straßenbau und den Unterhalt der Straßen war der Statthalter (legatus Augusti pro praetore) in seiner Provinz zuständig. Er beauftragte Abteilungen des Heeres mit dem Neubau der Hauptstraßen. Die anwohnende Provinzbevölkerung der Dörfer (vici), Städte (municipia, coloniae) und Gaue (civitates) hatte die Last des Straßenbaues zu tragen. Vermutlich mußten sie Baumaterial, Steine, Sand und Fuhren zur Verfügung stellen.





Militär und Straßenpolizei überwachten das Straßennetz

Beneficiarii - vom Statthalter als Militärkommandanten oder von einem Truppenkornmandanten von den niederen Diensten befreite (benficia) Unteroffiziere (principales) waren als Kommandanten der Polizeistationen (stationes) mit einigen ihnen untergebenen Soldaten und kleinem sonstigen Personal an wichtigen Punkten des Straßennetzes seit flavischer Zeit (69-96 n. Chr.) eingesetzt.

Nach Beendigung ihres Stationsdienstes haben die Beneficiarier aus Dank für den guten Verlauf des Stationsdienstes bei der Straßenstation Weihealtäre für verschiedene Götter aufstellen lassen.




Stationswechsel im Januar, Juli, Dezember


Die von den Soldaten aufgestellten Weiheinschriften vermitteln nur einen zeitlichen Ausschnitt, geben aber keine Auskunft über Anfang oder Ende der jeweiligen Straßenstation. Auch hat nicht jeder Beneficiarier eine Inschrift aufstellen lassen. Es ist dies ein Brauch. der hauptsächlich erst unter Commodus (180-192 n. Chr.) einsetzt

Die Daten 23.,29. Dezember, 13. Januar, 15. und 18. Juli bezeichnen vermutlich den Tag, an dem die aus dem Officium des obergermanischen Legaten abgestellten Beneficiarier zu wechseln pflegten.






53 Weihealtar


des Beneficiarius consularis Marcus Aurelius Titius Iulianus, Kommandant der Straßenstation Cannstatt/Steig, für Jupiter, alle Göttinnen und Götter (Abb. 121 links oben).


Stubensandstein. — H. 93 cm. Br. 57 cm. T. 38 cm. Altar mit Sockel und Gesims mit Dreieck zwischen den Randwülsten. Oben Eintiefung (16 x 18 cm) für ein Metallbecken. - Inv. R L 156. - FO: Cannstatt/Steig, NW der NW-Ecke des Kastells 1926 gefunden.



Inschrift


IN H(onorem) D(omus) D(ivinae) I(ovi) O(ptimo)M(aximo) / CETERIS DIS DE/ABVSQ(ue) M(arcus)AVR(elius) / TITIVS IVLI/ANVS B(ene)F(iciarius)CO(n)S(ularis) / PRO SALVTE / SVA ET SVO/RVM LIBENS / POS(u)IT XV K(alendas) AV(gustas)/ IMP(eratore) D(omino) N(ostro) M(arco) AVR(elio)/ANTONINO AVG(usto) II 18. Juli 219 n. Chr.



Übersetzung


Zu Ehren des göttlichen Kaiserhauses hat Jupiter, dem besten und größten, und den übrigen Göttern und Göttinnen Marcus Aurelius Titius Julianus, Gefreiter des Konsularlegaten, für sein und der Seinen Wohl (den Altar) aus freien Stücken aufstellen lassen am 18. Juli, als der Kaiser, unser Herr, Marcus Aurelius Antoninus Augustus zum zweiten Mal Konsul war (219 n. Chr.).



Lit.: Fundber. aus Schwaben NF 3, 1926, 83 h. — BRGK 17 1927, 204 Nr. 344. - Fundber. aus Schwaben NF 19, 1971, 205 Nr. 48. — E. Schallmayer, Der römische Weihebezirk von Osterburken I. Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg Bd. 40 (Stuttgart 1990).







54 Weihealtar


des Legionssoldaten der 22. Legion Emeritius Sextus, Kommandant der Straßenstation Cannstatt/ Uffkirche, für Jupiter, den Schutzgeist des Ortes, für Fortuna, die Göttinnen und Götter (Abb. 121 rechts oben).


Stubensandstein. — H. 1,33 m. Br. 0,61 m. T. 0,32 m. H. des Mittelstiickes 0,84 m. Br. 0,52 m. T. 0,27 m.


Altar mit Sockel und Gesims mit Dreieck zwischen zwei Randwülsten. In dem Dreieck ein Kreis und auf den Randwülsten ein im rechten Winkel eingeritztes Kreuz. Inv. R L 181. - FO: Stuttgart-Bad Cannstatt. Im 16. Jahrhundert „in dem Waiblinger Feld bei dem Flecken Fellbach nicht fern von Cannstatt am Neckar gefunden“.




Inschrift


IN H(onorem) D(omus) D(ivinae) I(ovi) O(ptimo) M(aximo) / GENIO LOCI ET F(o)RTVNAE DIS DEABVS/QVE EMERITIVS / SEXTVS MILES / LEGIONIS XXII/PR(imigeniae) P(iae) F(idelis) SEVERIA/NAE B(ene)F(iciarius) CO(n)S(ularis) PRO / SE ET SVIS POSV/IT V(otum) S(olvit) L(aetus) L(ibens) M(erito) / MAXIMO ET AELIANO CO(n)S(ulibus) / IDIBVS IANVARI(i)S


13.Januar 223 n.Chr.



Übersetzung


Zu Ehren des göttlichen Kaiserhauses. Jupiter dem besten und größten, dem Genius des Ortes, der Fortuna, den Göttern und Göttinnen hat Emeritius Sextus, Soldat der 22. Legion, der allerersten, pflichtbewußten und getreuen, der Severianischen, Gefreiter des Konsularlegaten, für sich und die Seinen (den Altar) aufstellen lassen und damit sein Gelübde eingelöst froh und freudig nach Gebühr, am 13.Januar im Konsulatsjahr des Maximus und Aelianus (223 n.Chr).



Lit.: CIL 13, 6442 - Haug-Sixt 1914. 375 Nr. 252. - Fundber.aus Schwaben NF 19. 1971. 206 Nr. 51.







55 Weihealtar


des Beneficiarius consularis Sextus Attonius Iuvenilis, Kommandant der Sraßenstation Cannstatt/Uffkirche, für die Zwei-, Drei- und Vierwegegöttinnen (Abb. 121 links unten).


Stubensandstein.. – H. 0,88 m. Br. 0,50 m. T. 0,35 m. Höhe des Mittelstückes 0,56 m. Br. 0,41 m. T.0,26 m. Altar mit Sockel und Gesims mit 2 Randwülsten, dazwischen ein Dreieck. Stark beschädigt. Inv. R L 193. FO: Stuttgart-Bad Cannstatt; beim Uffkirchhof im 16.Jahrhundert gefunden. - Zeit: 13. Dezember 221 n. Chr.




Inschrift


IN H(onorem) D(omus) D(ivinae) / BIVIIS TRIVIIS QV/ADRIVIIS S(extus) ATTO/NIVS IVVENILIS/ B(ene)F(iciarius) CO(n)S(ularis) PRO S[A/L]VTE SVA ET SVOR/VM POSUIT V(otum) S(olvit) L(aetus) L(ibens) M(erito) ID(ibus) DEC(embribus) GRA[TO ET SELEVCO CO(n)S(ulibus)]


13.Dezember 221 n.Chr.




Ubersetzung


Zu Ehren des göttlichen Kaiserhauses hat den Zwei-, Drei- und Vierwegegöttinnen Sextus Attonius Juvenilis, Gefreiter des Konsularlegaten, für sein und der Seinen Wohl (den Altar) aufstellen lassen und damit sein Gelübde eingelöst froh und freudig nach Gebühr am 13. Dezember im Konsulatsjahr des Gratus und Seleucus (221 n.Chr.).



Lit.: CIL 13, 6437.- Haug-Sixt 1914, 374 Nr. 251.- Fundber. aus Schwaben NF 19, 1971, 206 Nr. 50.







56 Weihealtar


des Legionssoldaten der 8. Legion Publius Sedulius Iulianus, Kommandant der Straßenstation Cannstatt/Uffkirche, für Jupiter, die Königin Juno, den Schutzgeist des Ortes sowie für alle Göttinnen und Götter (Abb. 121 rechts unten).


Schilfsandstein. H. noch 1,16 m. Br. noch 0,54 m. Größte Tiefe noch 0,33 m. Sockel und Gesims sind bei der Verwendung wahrscheinlich als Baustein weggeschlagen worden. Dabei wurde die Inschrift verstümmelt. Inv. R L 176. FO: Stuttgart-Bad Cannstatt, im 16. Jahrhundert in der Umgebung des Uffkirchhofes.


Zeit: 213 n.Chr. oder 222 n.Chr.





Inschrift


IN H(onorem) D(omus) D(ivinae) I(ovi) O(ptimo) M(aximo) / ET IVNONI REG(inae) / GENIO LOCI / ET D(is) D(eabus) OMNIB(us) / P(ublius) SEDVLIVS / IVLIANVS M[IL(es)] / LEG(ionis) VIII

AVG(ustae) A[N]/TONINIANAE B(ene)F(iciarius) CO(n)S(ularis) /PRO SAL(ute) SVA ET SVOR(um) / [S]TATIONE ITERAT(a) POSVIT IMP(eratore) DIVI ANTONINI AVG(usti) PII ET V R Zeile 11 wahrscheinlich: IMP(eratore)/D(omino) N(ostro) ANTONINO AVG(usto) IIII ET Balbino II



213 n.Chr.



oder

IMP(eratore) D(omino) N(ostro) ANTONINO AVG(usto) IIII ET AVRELIO ALEXANDRO CAES(are).



222 n.Chr.



Übersetzung


Zu Ehren des göttlichen Kaiserhauses. Jupiter dem besten und größten, der Königin Juno, dem Genius des Ortes und allen Göttern und Göttinnen hat Publius Sedulius Iulianus, Soldat der 8. Augusteischen Legion, der Antoninischen, Gefreiter des Konsularlegaten, für sein und der Seinen Wohl nach Wiederholung des Stationsdienstes (den Altar) aufstellen lassen


Entweder: als der Kaiser, unser Herr Antoninus Augustus zum 4. Mal und Balbinus zum 2. Mal Konsul waren: 213 n. Chr.


oder: als der Kaiser, unser Herr Antoninus Augustus zum 4. Mal und Aurelius Alexander Caesar Konsuln waren: 222 n. Chr.



Lit.: CIL 13, 6440. - Haug-Sixt 1914, 371 N.249.-Fundber. aus Schwaben NF 19,1971,206 Nr.52


Abb. 121 Weihealtäre von Beneficiariern. Kommandanten der Straßenstationen Cannstatt Steig und Uffkirche.


57 Weihealtar


des Beneficiarius consularis Lucius FIavius Paternus, Kommandant der Straßenstation Olnhausen, Kr. Heilbronn, für Jupiter, die Königin Juno und den Schutzgeist des Ortes.


Schilfsandstein. H 1,25 m. Br. 0,65 m. T. 0,33. Inschriftplatte: H. 0.65 m. Br. 0,51 m. T.0,27 rn. Sockel und Gesims verstümmelt. Auf den Schmalseiten. rechts: Zvpresse, auf der 2 Vögel sitzen, darunter Opferkanne und Opferschale mit langem, am Ende gebogenen Stiel und Omphalos; links: Zypresse. darüber 2 Rosetten, darunter Beil und Opfermesser gekreuzt. In Höhe des oberen Stammes der Zypresse eingeritzt:

(ante diem) III ID(us) MAR(tias) = am 3. Tag vor den Iden des März. - Inv. R L 170. FO: Kirche Olnhausen. Kr. Heilbronn.


Inschrift

I(ovi) O(ptimo) M(aximo) / IVNONI [REG(inae) ET] / GENI [0 LOCI] / L(ucius) FL(avius) PATERN[V]S / B(ene)F(iciarius) [C]O(n)S(ularis) / V(otum) [S(olvit)] L(aetus) [L(ibens) M(erito)]




Ubersetzung


Jupiter dem besten, größten und der Königin Juno sowie dem Genius des Ortes hat Lucius Flavius Paternus, Gefreiter des Konsularlegaten, sein Gelübde eingelöst froh und freudig nach Gebühr.



Lit.: CIL 13, 6556 — Haug-Sixt 1914, 653 Nr. 435.— Fundber. aus Schwaben NF 19, 1971, 204 Nr. 22.







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