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2. Die Eroberung Germaniens bis zur Elbe scheitert

Gallien wird römisch

Die Eroberung Germaniens bis zur Elbe scheitert (Abb. 16 und 17)

Seit der Eroberung Galliens durch Gaius Julius Caesar in den Jahren 58-50 v. Chr. ist die Rheinzone fest in römischer Hand. Wohl hat Caesar vorausschauend den Rhein zweimal überschritten (55 und 53 v. Cbr.), aber die römische Politik im Nordosten des Imperiums, am Rhein, ist noch 30 Jahre lang auf Defensive eingestellt. Das Jahr 16. v. Chr. bringt die Wende: Im Jahre 16 v. Chr. überschreitet der germanische Stamm der Sugambrer den Rhein - sehr wahrscheinlich nördlich von Bonn - vernichtet die 5. Legion unter Marcus Lollius und erbeutet den Adler der Legion. Diese Niederlage, die ‚clades Loliana‘ und die damit drohende Gcrmanengefahr bewirkt eine Neuorientierung der römischen Politik nördlich der Alpen. Spätestens seit dem Jahre 15 v.Chr. ist der Plan konzipiert, mit 2 Stoßarmeen - vom Niederrhein einerseits und von der mittleren Donau andererseits - Germanien zangenförmig anzugreifen. Kaiser Augustus (31 v. Chr.-14 n. Chr.) plant die Einrichtung einer ‚Großgermanischen Provinz‘ (Provincia Germania magna) mit der Elbe als Nordostgrenze und einer Nord-Süd-Verbindung über Böhmen und Mähren zur mittleren Donau nach Pannonien (Gebiet um den Plattensee mit den Flüssen Drau und Save). Voraussetzung des Angriffsplanes ist die Unterwerfung der Alpenvölker. Die augusteische Konzeption ist ein Stufenplan: 1. Unterwerfung der Alpenvölker und Sicherung der Alpenpässe. - Gleichzeitige Besitzergreifung Noricums (Osterreichs, 15 v. Chr.) und Pannoniens (14-12 v. Chr.). - 2. Besetzung Germaniens bis zur Elbe (Offensive der Rheinarmee 12 v. Chr.). - Unterwerfung der Markomannen in Böhmen. – Köln/Oppidum Ubiorum soll Hauptstadt der Provincia Germania magna werden.




Abb. 16 Feldzüge des Drusus und Tiberius in Germanien bis zur Elbe. 15 v.Chr. – 6 n.Chr.


Oberschwaben wird römisch


Im Sommer des Jahres 15 v. Chr. besiegen die beiden kaiserlichen Adoptivsöhne Drusus und Tiberius 45 Alpenstämme, u. a. die in den Alpen und im Alpenvorland, in Oberschwaben und Bayern wohnenden Räter und Vindeliker. Gleichzeitig besetzen römische Truppen das mit Rom befreundete Königreich Noricum (Osterreich) friedlich bis zur Donau. Die Inschrift des im Jahre 7/6 v. Chr. bei La Turbie oberhalb Monaco zu Ehren des Kaisers Augustus errichteten Siegesdenkmals (tropaeum Alpium), dessen Ruine erhalten ist, nennt die Namen von 45 Alpenstämmen, die ‚vom oberen Meer (Tyrrhenischen Meer) bis zum unteren Meer (Adria) unter Führung und Planung‘ des Augustus unterworfen wurden.


Die Straßenverbindungen über den Großen und Kleinen St. Bernhard, über die Bündnerpässe durch das obere Rheintal an den Bodensee sowie die Verbindungen über den Brenner und Reschen-Scheideck bilden die strategischen Voraussetzungen für die militärischen Operationen des augusteischen Heeres nördlich der Alpen. Römische Funde im Alpenvorland bezeugen die Anwesenheit römischer Truppen während des Räterfeldzuges 15 v. Chr. in Oberschwaben und Bayern: In Augsburg-Oberhausen kamen beim Kiesabbau Tausende von Waffen, Werkzeugen und Ausrüstungsgegenständen von Legionssoldaten sowie Pferdegeschirrteile, Keramik und über 400 Münzen zum Vorschein. In einer Kiesgrube bei Dangstetten, Kr. Waldshut hat Gerhard Fingerlin ein Legionslager aus der Zeit des Räterfeldzuges entdeckt und ausgegraben - ein Holzerdelager, als dessen Besatzung die 19. Legion bezeugt ist und das nach Münzfunden bis 9 v. Chr. besetzt war. Verglichen mit dem gleichzeitigen Legionslager Xanten/ Vetera Castra am Niederrhein, - dem Ausgangspunkt der römischen Expeditionen entlang der Lippe in das Innere Germaniens (Legionslager: Holsterhausen, Haltern, Oberaden u. a.) - hat man auch von Dangstetten aus mit militärischen Operationen nach Norden durch das Wutachtal ins Neckartal zu rechnen. Allerdings erwähnt kein Schriftsteller diese mutmaßlichen Expeditionen - wir müssen sie anhand von Funden rekonstruieren.

Das von Drusus und Tiberius im Jahre 15 v. Chr. unterworfene Rätien und Vindelicien, die Alpen und das Alpenvorland, unterstehen der Militärverwaltung; der Kommandeur der bei Augsburg-Oberhausen lagernden Legionen ist zugleich Statthalter von Oberschwaben und Bayern: legatus Augusti pro praetore in Vindolicis.



Der Rhein wird wieder Reichsgrenze


Die zweite Phase des augusteischen Planes: die Eroberung Germaniens bis zur Elbe - scheitert. Am 1. August 12 v. Chr. weiht Drusus, Oberbefehlshaber der Rheinarmee und Statthalter von Gallien, in Lugdunum/ Lyon den Altar der Roma und des Augustus als geistigen Mittelpunkt der Tres Galliae (der 3 gallischen Provinzen). Er beginnt im gleichen Jahr die Offensive gegen die Germanen vom Niederrhein aus und operiert bis zur Ems. 11 v. Chr. erreicht er mit seinen Truppen die Weser und unterwirft 10 v. Chr. das Gebiet zwischen Main, Lahn und Weser. Im Jahre 9 v. Chr.gelingt Drusus ein Vorstoß durch das Gebiet der Chatten und Cherusker bis zur Elbe. Auf dem Rückmarsch in die Winterquartiere an den Rhein stürzt sein Pferd -Drusus bricht sich den Unterschenkel- er stirbt in einem Lager zwischen Rhein und Weser in den Armen seines herbeigeeilten Bruders Tiberius (14. September 9 v.Chr.). Tiberius übernimmt das Oberkommando der in Germanien stationierten Legionen. Seine Feldzüge sind erfolgreich, so daß Germanien im Jahre 7 v. Chr. als tributpflichtige Provinz bezeichnet werden kann. Aber familiäre Unstimmigkeiten veranlassen Tiberius im Jahre 6 v. Chr. freiwillig in die Verbannung nach Rhodos zu gehen.

Als Augustus im Jahre 4 n. Chr. Tiberius adoptiert, kehrt er auf den germanischen Kriegsschauplatz zurück. Im Jahre 5 n. Chr. bricht Tiberius endgültig den Widerstand der Germanen: Germanien bis zur Elbe ist römische Provinz mit der Provinzhauptstadt KöIn/ oppidum Ubiorum, wo nach gallischem Vorbild die Ara Ubiorum (Altar der Ubier) als geistiger Mittelpunkt der Provincia Germania errichtet wird. Im Jahre 6 n. Chr. will Tiberius mit einem Zangenangriff von Rhein und Donau die Marcomannen unter Maroboduus in Böhmen und Mähren unterwerfen. Aber ein brutaler Aufstand in Pannonien vereitelt alle weiteren Pläne für die endgültige Einrichtung der Provinz. Tiberius muß seine Legionen in Eilmärschen von Germanien auf den Balkan führen, wo ihn die Aufständischen in Ungarn und Kroatien drei Jahre lang in einen heimtückischen Partisanenkrieg verwickeln. Als er schließlich den Aufstand niedergeschlagen hat, erreicht ihn die Nachricht von dem Blutbad im Wiehengebirge: Arminius hat im Herbst 9 n. Chr. die gesamte untere Heeresgruppe am Niederrhein (exercitus inferior: 3 Legionen, 3 Alen und 6 Kohorten, etwa 25000 Soldaten) vernichtet. Das ist das Ende der Provincia Germania magna. An dieser Tatsache ändern auch nichts die Feldzüge des Drusus- Sohnes Germanicus in den Jahren 14-16 n. Chr.

Kaiser Tiberius (14-37 n. Chr.) verzichtet 16 n. Chr. auf alle rechtsrheinischen Eroberungen: der Rhein wird wieder die Nordostgrenze des römischen Imperiums wie zur Zeit Caesars. Die Rheinarmee - das obere Heer (exercitus superior) und das untere Heer (exercitus inferior) - erhält den Auftrag, die Rheingrenze zu schützen. Zur Überwachung der in der Nordschweiz aus Italien, Gallien und Rätien zusammentreffenden Fernverkehrsstraßen stationiert die obere Heeresgruppe 16 n. Chr. eine Legion in Vindonissa/Windisch, am Zusammenfluß von Aare und Reuß. Der Legionskommandeur von Vindonissa erhält seine Weisungen aus Mainz/Mogontiacum, der Kommandozentrale des oberen Heeres. Die Alpenrandstraße nach Rätien und Noricum schützen Militärposten (146 - 150), die dem Legatus Legionis in Vindonissa unterstehen.

Seit dem Jahre 16 n. Chr. ist der Rhein im Bereich der unteren Heeresgruppe (exercitus inferior) von Niederbreisig (nördlich Andernach) bis zur Küste 4 Jahrhunderte lang die durch Kastelle gesicherte römische Reichsgrenze gegen das freie Germanien (NL Niedergermanischer Limes). Die obere Heeresgruppe (exercitus superior) wird in flavischer Zeit noch zweimal offensiv. Ausgangspunkte der Operationen sind im Jahre 73/74 n. Chr. das Legionslager Straßburg/Argentorate und 10 Jahre später 83 n. Chr. das Doppellegionslager Mainz/Mogontiacum. Im Zusammenwirken mit den Auxiliareinheiten der Provinz Rätien können in begrenzten Operationen die Rhein- und Donaugrenze nach Osten und nach Norden vorgeschoben werden.


Lit.: V. Gardthausen. Augustus und seine Zeit. 2 Bde. 1891-19 4. - D. Timpe. Der Triumph des Germanicus. Untersuchungen zu den Feldzügen der Jahre 14-16 n.Chr. in Germanien, in: Antiquitas 1,16 (Bonn 1968).- H. v. Petrikovits, Die Rheinlande in römischer Zeit (Düsseldorf 1981).- T. Bechert. Germania Inferior (München 1982).- Ute Schillinger-Häfele, Varus und Arminius in der Uberliefemng, Historia 32, 1983, 123ff. - G. Fingerlin. Fundber. aus Baden—Württemberg 3, 1977, 278ff., — Ders., Archäologische Ausgrabungen 1981, 93ff. und 96ff.




Römische Kastelle in Südwestdeutschland

(siehe Karte vorderer Vorsatz)


Zeit des Augustus und Tiberius (19 v.Chr. bis 37 n.Chr.)

30 Kastell. 31 Wiesbaden. 28 Frankfurt a.M. – Höchst. 26 Friedberg. 102 Bad Nauheim. 103 Rödgen. 125 Trier. 123 Urmitz. 126 Bingen. 127 Mainz. 128 Mainz-Weisenau. 130 Worms. 132 Speyer. 134 Straßburg. 137 Basel. 138 Augst. 139 Windisch. 153 Dangstetten. 141 Zürich. 142 Oberwinterthur. 143 Werd bei Stein a.Rh. 146 Bregenz. 147 Kempten. 148 Auerberg. 149 Lorenzberg. 150 Gauting. 151 Salzburg. 152 Augsburg-Oberhausen. 176 Sasbach – Limberg. 179 Rederzhausen.



Zeit des Claudius (41 – 54 n.Chr.)

122 Andernach. 124 Koblenz. 29 Hofheim. 106 Groß-Gerau. 108 Ladenburg.
109 Heidelberg – Neuenheim. 131 Ludwigshafen-Rheingönheim. 133 Selz. 135 Kunheim-Oedenburg. 136 Kembs. 140 Zurzach. 144 Eschenz. 145 Konstanz. 154 Schleitheim. 62 a Hüfingen. 112 Riegel. 155 Tuttlingen. 256 Ennetach. 157 Ertingen. 158 Emerkingen. 159 Rißtissen. 160 Unterkirchberg. 162 Aislingen. 163 Burghöfe. 164 Neuburg. 165 Oberstimm. 167 Weltenburg-Frauenberg. 177 Sasbach i.Tal. 178 Burlafingen. 187 Nersingen.




Zeit des Vespasian (69 – 79 nChr.)

27 Frankfurt a.M. – Heddernheim und Frankfurt a.M. – Praunheim. 25 a Okarben.
107 Gernsheim. 161 Günzburg. 166 Eining. 170 Regensburg – Kumpfmühl. 171 Straubing.
173 Moos.



+ - 73/74 n.Chr. angelegte Kastelle


111 Rammersweier. 61 b Waldmössingen. 62 Rottweil. 61 a Sulz. 113 Geislingen a.R. 114 Lautlingen. 115 Burladingen. 116 Gomadingen. 117 Donnstetten. 66 a Urspring. 66 b Heidenheim. 66 c Faimingen. 74 Kösching. 75 Pförring. 183 Zunsweier. 190 Baden Baden. 184 Frittingen. 185 Deggingen. 186 Essingen. 189 Lauchheim.




+ 83/85 n.Chr. angelegte Kastelle


1 Heddesdorf. 2 Bendorf. 2 a Niederberg. 4 Ems. 5 a Marienfels. 7 Kemel. 8 Zugmantel. 11 Saalburg. 13 Langenhain. 14 Butzbach. 16 Arnsburg. 17 Inheiden. 18 Echzell. 19 Oberflorstadt. 20 Altenstadt. 21 Marköbel. 22 Rückingen. 23 Großkrotzenburg. 24 Hanau – Kesselstadt. 25 Heldenbergen. 27 a Frankfurt a.M. 32 Seligenstadt. 33 Stockstadt. 34 Niedernberg. 35 Obernburg. 46 b Seckmauern. 46 Lützelbach. 47 Hainhaus (Vilebrunn). 48 Eulbach. 49 Würzberg. 50 Hesselbach. 51 Schlossau. 52 Oberscheidental. 53 Neckarburken. 54 Wimpfen. 56 Heilbronn – Böckingen. 57 Walheim. 58 Benningen. 59 Stuttgart – Bad Cannstatt. 60 Köngen. 67 b Oberdorf a.I. 68 a Munningen. 70 Gnotzheim. 72 Weißenburg. 73 Pfünz. 110 Wiesental. 104 Bergen. 105 Hainstadt. 118 Eislingen-Salach. 119 Aufkirchen. 120 Unterschwaningen. 172 Steinkirchen. 168 Allkofen. 174 Künzing. 180 Nördlingen. 181 Dettingen u.T. 182 Kochendorf.



Kastelle des 2.Jahrhunderts n.Chr.


1 a Niederbieber. 3 Arzbach. 5 Hunzel. 6 Holzhausen. 9 Heftrich. 10 Kleiner Feldberg. 36 Wörth. 37 Trennnfurt. 38 Miltenberg – Altstadt. 38 a Milllltenberg-Ost. 39 Waldürn. 40 Osterburken. 41 Jagsthausen. 42 Öhringen. 43 Mainhardt. 44 Murrhardt. 45 Welzheim. 45 a Welzheim-Ost. 63 Lorch. 64 Schirenhof. 65 Unterböbingen. 66 Aalen. 67 Buch. 67 a Halheim. 68 Ruffenhofen. 69 Dambach. 71 Gunzenhausen. 71 a Theilenhofen. 73 a Böhming. 101 Heidekringen. 121 Ellingen. 169 Regensburg. 175 Passau.



Unbestimmte Zeitstellung: 129 Nackenheim




Numerierung der Kastelle


Die Kastelle Nr. 1 – 75 sind nach dem obergermanisch-rätischen Limes des Römerreiches (ORL) numeriert.


Die Nummern 101 – 187 kennzeichnen die seitdem neu hinzugekommenen Kastelle.





Abb.16 a Überfall am Limes





Abb.17 Münzbildnisse von Caesar bis Antoninus Pius
Abb.17a





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