4.3 Applikationsversuche
mit dem OXALIS-System
Die Wirkung von Expansin, Elektrolytlösungen,
TIBA, IES, GA3, und Jasmonsäure auf Circumnutationen wurde
mit dem OXALIS-System auf Atari PCs untersucht. Dabei wurden die
Keimlinge vor allem von oben und nur in wenigen Fällen auch
seitlich registriert. Somit ist die Wirkung auf die Wachstumsgeschwindigkeit
nicht bei allen Substanzen bekannt.
Die Applikation von Expansinlösung am
Hypokotyl von Cardaminopsis arenosa
beeinflusste die Circumnutation nicht. Dies kann verschiedene Gründe
haben:
· Expansin wirkt auf die Zellwand bei
pH 4,5 optimal. Reine pH 4,5 Pufferlösung hatte jedoch bereits
einen starken Effekt auf die Circumnutation. Möglicherweise
wird die Expansinwirkung im sauren Medium von der Wirkung der Pufferlösung
überlagert.
· Dass neutrale Expansinlösung
nicht wirkte, kann am ungünstigen pH-Wert gelegen haben. Die
Wirkung im neutralen Medium war eventuell zu schwach, um erkannt
zu werden.
· Es ist möglich, dass die Luftfeuchtigkeit
bei den Versuchen für eine Wirkung des Expansins zu niedrig
war. Bei niedriger Luftfeuchtigkeit bilden Pflanzen eine dickere
Kutikula aus, was das Eindringen von Expansin in die Zellwand erschweren
oder verhindern könnte. Versuche, die Aufnahme von Expansin
in pufferfreier Lösung durch Zugabe von CTAB (Cetyltrimetylammoniumbromid,
ein kationisches Detergenz) zu verbessern, wurden nicht weiter verfolgt,
da CTAB allein die Circumnutationen stark hemmte.
Kürzlich wurde berichtet (CALDERAS et
al., 2000), dass auch andere Faktoren neben Expansin beim
Streckungswachstum eine Rolle spielen müssen: Im Dunkeln ist
bei Tomaten die Wachstumsrate des Hypokotyls sechs mal höher
als im Licht. Trotzdem findet sich in den belichteten Hypokotylen
mehr Expansin-mRNA als in den unbelichteten. Weitere Zellwand-Proteine
könnten für das Dunkelwachstum verantwortlich sein, die
im Dunkeln gehaltenen Zellwände könnten rigider sein oder
weniger empfindlich auf Expansin reagieren. Drittens könnten
andere Prozesse beim Wachsen im Licht eine Rolle spielen.
Die stark hemmende Wirkung des Auxintransporthemmers
TIBA sowie die Wirkung von IES auf Circumnutationen spricht dafür,
dass IES wesentlich am Mechanismus der Circumnutationen beteiligt
ist. Seitliche Applikation von IES am Hypokotyl (siehe Abbildung
3-8) führte zu einem Krümmungswachstum, bei dem in manchen
Fällen noch schwache Circumnutationen zu erkennen waren. Falls
die Schwingungen zustande kommen, weil am Hypokotyl Auxinströme
herablaufen, die das Organ umkreisen, wäre dieses Verhalten
zu erwarten, solange die Konzentration von lokal appliziertem IES
nicht zu einer Sättigung über den gesamten Stängelquerschnitt
führt.
Die dämpfende oder hemmende Wirkung saurer
und neutraler Pufferlösungen auf Circumnutationen beruht möglicherweise
auf Veränderungen des pH-Werts der Zellwände und Plasmamembranen
der Epidermiszellen an der Applikationsstelle. Nach der Säurewachstumshypothese
(HAGER et al., 1971) besteht
der wall-loosening-Faktor
aus Protonen. HEJNOWICZ (1992) hatte vermutet, dass bei circumnutierenden
Tulpenstängeln longitudinale Bänder erhöhter Azidität
die Sprossachse in den Bereichen differentiellen Wachstums umkreisen.
HEJNOWICZ und SIEVERS (1994) fanden bei gravitrop gereizten Tulpenstängeln
ein Band mit erhöhter Azidität auf der Unterseite des
Krümmungsbereichs. Applikation von Pufferlösungen könnte
die Ionen- und Protonenkonzentration in den Zellwänden ändern,
wodurch sich die Wachstumsgeschwindigkeit lokal ändert. Veränderungen
des pH-Werts in den Plasmamembranen beeinflusst die Aktivität
von Enzymen, welche die Plastizität der Zellwand beeinflussen
können (RAYLE und CLELAND, 1992). Bei seitlicher Registrierung
zeigten Essigsäurelösungen bis zu einer Konzentration
von 0,1% keine eindeutige Wirkung auf das Wachstum. Eine 1%ige Essigsäurelösung
verringerte das Hypokotylwachstum kurzzeitig. Durch diese stark
saure Lösung (pH 2,3) wurden Zellwände oder Plasmamembranen
vermutlich bis auf einen für das Streckungswachstum ungünstigen
Wert angesäuert.
Pufferlösungen könnten nicht nur
auf den pH, sondern auch osmotisch wirken. Damit könnte sich
der Turgor in den Zellen der Epidermis und Hypodermis ändern.
GA3 zeigte auch in hohen Konzentrationen kaum
eine Wirkung auf Circumnutationen. Bei seitlicher Registrierung
wurde kein Effekt auf das Hypokotylwachstum festgestellt. Andere
Gibberelline als GA3 mit potenziell wachstumssteigernder Wirkung
standen leider nicht zur Verfügung. VOLMARO
et al. (1998) stellten die Hypothese auf, dass die blaulichtabhängige
Hemmung des Hypokotylwachstums hormonell gesteuert wird und das
Resultat eines Gleichgewichts verschiedener wachstumshemmender und
fördernder endogener Substanzen ist. Sie beschrieben, dass
die Hypokotylverlängerung von Lactuca
sativa durch Blaulicht im Bereich von 0 bis 18.3 µmol
m-2 s-1 linear gehemmt wird. Wurde dem Nährmedium GA3 und IES
zugesetzt, konnte die Hemmung teilweise aufgehoben werden. Das Wachstum
von Keimlingen, die im Dunkeln gehalten wurden, konnte durch ABA
gehemmt werden. Mit Fluridone, einem Hemmstoff der ABA-Synthese,
konnte die Wachstumshemmung im Blaulicht teilweise aufgehoben werden.
Bei im Blaulicht gehaltenen Keimlingen wurden niedrigere Konzentrationen
von IES und GA3 und ein höherer Gehalt an ABA festgestellt
als im Dunkeln. POTTER et al.
(1999) bestimmten die Konzentration verschiedener Gibberelline in
Keimlingen von Brassica napus
bei unterschiedlichen Lichtintensitäten. Der Gehalt an Gibberellinen
nahm mit abnehmender Photonenflussdichte dramatisch zu. Sie schlugen
vor, dass Gibberelline eine Rolle bei der Photomorphogenese spielen
und ein Bindeglied zwischen Lichtbedingungen und Keimlingswachstum
darstellen könnten. Alle Versuche zur Applikation von GA3 bei
Arabidopsis und Cardaminopsis
wurden im schwachen Weißlicht durchgeführt. Möglicherweise
enthielten die Keimlinge hier bereits so viel endogenes GA3, dass
eine externe Applikation keine weitere Wachstumssteigerung bewirkte.
Dass das gut wasserlösliche GA3 nicht über die Epidermis
aufgenommen wurde und deshalb nicht wirkte, ist eher unwahrscheinlich.
1 µl 400 µM Jasmonsäurelösung
unterdrückte oder hemmte nur in manchen Fällen die Schwingungen.
SCHUSTER (1996) hatte eine deutlich hemmende Wirkung von 10 µl
in der von ihm benutzten Küvette mit verdunstetem Methyljasmonat
auf die Circumnutationen von Cardaminopsis
arenosa beschrieben. Ein direkter Vergleich der Wirksamkeit
von Jasmonsäure und ihrem Methylester ist nur schwer möglich,
da die Menge an Methyljasmonat, die in beiden Fällen tatsächlich
von der Pflanze aufgenommen wurde, nicht bestimmt wurde.
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