3.5 Simulation des Hypokotylwachstums
Um verschiedene Hypothesen über
die Vorgänge beim Wachstum und bei Circumnutationen von Hypokotylen
zu überprüfen, wurde ein Simulationsprogramm entwickelt.
Mit Hilfe simulierter Pflanzen sollten außerdem die Funktion
und die Ergebnisse der eigenen Auswertemethoden bei realen Pflanzen
geprüft und kritisch betrachtet werden.
Das Simulationsmodell bestand aus mehreren
Programmen und shell-skripten, die Funktionen zur Dateneingabe,
Berechnung und Datenausgabe beinhalteten. Um Variablen im Programm
zu ändern, wurde jeweils der Quelltext des Berechnungsprogramms
"cs"
editiert. Durch Aufruf des Simulationsskripts "cellsim"
unter Angabe der Zahl der zu simulierenden Schritte und möglicher
weiterer "Schalter" wurde der Quelltext jeweils neu kompiliert
und die Simulation lief ab.
Die Ausgabe des Simulationsprogramms
erfolgte in grafischer Form. Bei den Aufnahmen von echten Keimlingen
waren in periodischen Zeitabständen (scans) Bilder von zwei
etwa im rechten Winkel auf die Pflänzchen blickenden Kameras
angefertigt worden. Analog dazu wurden im Modell für jeden
scan zwei Bilder generiert, die den momentanen Zustand des modellierten
Organismus aus dem Blickwinkel der jeweiligen "Kamera"
zeigten. Diese Bilder wurden wie bei den echten Aufnahmen unter
einer fortlaufenden Nummer abgespeichert und mit einem Zeit-Label
versehen, das ihrem virtuellen Aufnahmezeitpunkt entsprach. Die
künstlich generierten Bilder konnten genau wie die echten Bilder
mit dem Auswerteskript "aus"
ausgewertet und das Ergebnis mit dem Videoplayer "v2"
betrachtet werden.
Die meisten Aufnahmen von realen Pflanzen
waren in Zeitabständen von 4 Minuten erfolgt. Auch bei der
Simulation wurden "Aufnahmen" im Abstand von 4 Minuten
angefertigt. Die interne Berechnung der Wachstumsvorgänge erfolgte
jedoch im Abstand von 10 Sekunden.
Das Simulationsmodell ging von der Annahme
aus, dass die Elongation der Zellen in der Epidermis den zentralen
Faktor im Circumnutationsgeschehen darstellt. Daher wurde ein schlauchförmiges
Gebilde aus einzelnen, nebeneinander und übereinander liegenden
"Zellen" simuliert. Bei den echten Keimlingen waren im
Infrarotlicht lokale Helligkeitsunterschiede durch Reflexionen an
der Kutikula und durch unterschiedliche Lichtdurchlässigkeit
und Färbung darunter liegender Zellbereiche zu erkennen. Diese
Helligkeitsunterschiede resultierten in einem mehr oder weniger
zufälligen Hell-Dunkel-Muster, das andeutungsweise mit Zellen
und Zellgrenzen assoziiert war. Um dies nachzuempfinden, wurde den
einzelnen "Zellen" am Anfang der Simulation ein zufälliger
Grauwert zugewiesen. Diesen Grauwert behielten die "Zellen"
bis zum Ende der Simulation bei.
Als Sonderfunktion besaß das Programm
die Möglichkeit, die momentane "Auxinkonzentration"
der einzelnen "Zellen" grafisch darzustellen. Bei dieser
Variante wurde den "Zellen" kein zufälliger Grauwert
zugewiesen, sondern ihre Helligkeit wurde proportional zu ihrem
"Auxingehalt" codiert. Dies geschah in skalierter Weise,
d.h. die "Zelle" mit dem höchsten "Auxingehalt"
bekam den Grauwert 255 zugewiesen (100% weiß) und die "Zelle"
mit dem niedrigsten "Auxingehalt" besaß den Wert
0 (100% schwarz). Zum Aufruf dieser Sonderfunktion musste die Option
"h" gesetzt werden. Um beispielsweise 1000 Schritte unter
Darstellung der lokalen "Auxinkonzentration" zu simulieren,
musste das Programm mit "cellsim
1000 h" gestartet werden.
Auch andere Parameter wie z.B. die Elongationsfähigkeit der
"Zellen" konnten auf die Zellfarbe abgebildet werden.
Diese Funktionen wurden jedoch nur in Arbeitsversionen eingeführt.
Das "Hypokotyl" bestand aus
konzentrischen Ringen von "Zellen". Mehrere solcher "Zellringe"
lagen übereinander. Die Anzahl der "Zellen" in einem
Ring und die Zahl der übereinander liegenden Zellringe wurden
als Variablen gehalten und konnten den Verhältnissen bei unterschiedlichen
Organismen (Arabidopsis,
Cardaminopsis etc.) angepasst werden.
Diese und andere Voreinstellungen wurden im Skript "mkcell"
jeweils vor Beginn einer Simulation festgelegt.
Das Skript "mkcell"
beinhaltete folgende Parameter:
ROWS= Zahl der übereinander liegenden
"Zellringe"
COLUMNS= [Zahl der Zellen in einem "Zellringe"]
LENGTH= [Höhe der "Zellen" zu Simulationsbeginn]
WIDTH= [Breite der "Zellen" zu Simulationsbeginn]
AUXIN= Menge von "Auxin", das in den "Zellen"
zu Simulationsbeginn vorhanden war]
BRIGHT= Durchschnittliche Helligkeit der "Zellen", schwarz=0,
weiß=255]
Als zentraler biochemischer Faktor im Wachstumsgeschehen
wurde "Auxin" postuliert. Die Mengen von "Auxin"
in einer "Zelle" war entscheidend für den Grad ihrer
Elongation in den folgenden Simulationsschritten.
In der Regel erfolgte die Einspeisung von "Auxin"
in die oberste Zellreihe des simulierten Organismus. Dies trägt
der Beobachtung Rechnung, dass die Hauptmenge von Auxin vom Apex
und von den Kotyledonen synthetisiert wird.
Außerdem konnte man "Auxin"
zu beliebigen Zeitpunkten in einzelne "Zellen" des simulierten
Organismus einspeisen. Damit wurde es beispielsweise möglich,
einmalige, pulsförmige, lokale Applikationen von "Auxin"
in einzelne "Zellen" oder "Zellgruppen" zu simulieren,
was einer externen Applikation von Auxin am lebenden Organismus
entsprach. Diese Funktionen wurden jedoch nur in Arbeitsversionen
des Programms implementiert.
"Auxin" wurde in jedem Simulationsschritt
in einem festen Prozentsatz von einer "Zelle" in die darunter
liegende "Zelle" weitergeleitet. Der Prozentsatz dieses
"polaren Auxintransports" AUXIN_DOWN war variabel und
wurde im Programm "cs" definiert.
Eine weitere Variable war die Auxinmenge QANTAUXIN, die einen Bezugswert
für die Größe der verschiedenen eingespeisten "Auxinmengen"
darstellt.
Entsprechend den Verhältnissen bei realen
Pflanzen entfaltete "Auxin" auch in der Simulation seine
Wirkung erst nach einer gewissen Zeitverzögerung. Im Regelfall
dauerte es ca. 40 Minuten, bis die "Auxinwirkung" einsetzte.
Daraufhin hielt sie für etwas eine Stunde an, um danach wieder
abzuklingen.
Zu Simulationsbeginn wurde allen "Zellen"
im Skript "mkcell"
die ungefähr gleiche minimale Länge von z.B. 2,2 Pixeln
zugewiesen (zufallsgesteuert). Die Variable MAXLEN im Programm "cs"
definierte ihre maximale Länge in Pixel im voll elongierten
Zustand.
Neben basalem "polarem" Auxintransport
wurde auch die Möglichkeit eines lateralen Auxintransports
vorgesehen (AUXIN_TO_LEFT und AUXIN_TO_RIGHT). "Auxin"
wurde dabei in jedem Simulationsschritt in einem festen Prozentsatz
von einer "Zelle" in die horizontal benachbarte "Zelle"
weitergeleitet.
Die Summe von AUXIN_TO_LEFT, AUXIN_TO_RIGHT
und AUXIN_DOWN durfte 100 (%) natürlich nicht übersteigen;
eine Summe von 100 bedeutete, dass die gesamte Auxinmenge einer
Zelle im nächsten Simulationsschritt in die anderen Zellen
verschoben würde - ein eher unrealistischer Fall.
Bei natürlichen Hypokotylen strecken sich
im Verlauf des Wachstums die unteren Zellen zuerst. Dann elongieren
nacheinander immer mehr darüber liegende Zellen, bis der Organismus
schließlich seine Maximallänge erreicht hat. Dieser Vorgang
setzt voraus, dass sich die einzelnen Zellen ihrer räumlichen
Lage im Hypokotyl "bewusst" sind. Sie müssen ihr
Wachstum entweder mit darunter liegenden Zellen koordinieren oder
ihr Wachstumsverhalten muss in irgend einer Weise zeitlich gesteuert
sein. Beide Möglichkeiten wurden in zwei unterschiedlichen
Ansätzen simuliert.
3.5.1 Simulation des
"Zellwachstums" abhängig von der Länge darunter
liegender "Zellen"
In diesem Simulationsansatz war die Elongationsfähigkeit
einer "Zelle" direkt vom Elongationszustand der direkt
darunter liegenden "Zelle" abhängig. Die Elongationsfähigkeit
einer Zelle wurde entsprechend dem auf die maximale Elongation (MAXLEN)
bezogenen Elongationszustand der darunter liegenden Zelle vermindert.
Eine "Zelle", die über einer bereits voll elongierten
"Zelle" lokalisiert war, streckte sich deshalb in einem
Simulationsschritt wesentlich stärker als eine "Zelle",
die sich über einer wenig oder nicht elongierten "Zelle"
befand. Für die "Zellen" der untersten "Zellreihe"
wurde festgelegt, dass ihre Elongationsfähigkeit maximal war
und somit der Elongationsfähigkeit von über voll elongierten
"Zellen" lokalisierten "Zellen" entsprach.
Dieser Ansatz führte im unteren Bereich des simulierten Hypokotyls
zu einer sehr schmalen Elongationszone. Weiter oben im "Hypokotyl"
begannen sich die "Zellen" jedoch nach einer größeren
Zahl von Simulationsschritten ebenfalls zu strecken, was nicht so
erwartet worden war und nicht den natürlichen Gegebenheiten
entsprach. Der Grund für dieses unerwartete Verhalten war,
dass alle "Zellen" zu Simulationsbeginn eine Anfangslänge
von etwa 2 Pixeln besaßen. Diese Anfangslänge ging in
die Berechnung der Elongationsfähigkeit darunter liegender
"Zellen" ein. Dieser Umstand war nicht berücksichtigt
worden. Die Elongation war bei den obersten "Zellen" sogar
am weitesten fortgeschritten. Dies rührte daher, dass sie während
der Simulation als erste "Auxin" erhalten hatten, welches
in die oberste "Zellreihe" eingespeist wurde.
Abbildung 3-57:
Simulierte Pflanze nach 450
Simulationsschritten. Die untersten 5 "Zellen" sind vollständig
elongiert. Auch die darüber liegenden "Zellen" sind
teilweise elongiert. Die Krümmung des "Hypokotyls"
stammt von einer zyklischen Anregung. Simulation 018_2
Abbildung 3-58:
Simulierte Pflanze nach 60 Simulationsschritten.
Hier wurde die Elongationsfähigkeit auf die Zellhelligkeit
abgebildet. Die oberen "Zellen" sind aufgrund des Programmfehlers
bereits teilweise elongiert und daher heller als weiter unten liegende.
Die unterste "Zelle" ist fast vollständig elongiert.
Die darüber liegende Zelle erscheint daher sehr hell. Simulation
020_06_5
Um den Fehler zu korrigieren wurde eine neue
Variable (ELON_KONST) eingeführt. Diese Variable subtrahierte
bei der Berechnung eine Konstante von der Anfangslänge der
"Zelle". Setzte man die Konstante gleich der Anfangslänge
der "Zellen", lieferte das Modell das erwartete Ergebnis.
Abbildung 3-59:
Simulation 018_1: Simulierte
Pflanze nach 325 Simulationsschritten. Gestrecktes "Hypokotyl"
mit kleiner Elongationszone unten und ohne gestreckten "Zellen"
darüber.
Abbildung 3-60: Simulation
020_06_6: Simulierte Pflanze nach 100 Simulationsschritten, Ausschnitt
unteres "Hypokotyl". Die Elongationsfähigkeit wurde
auf die Zellhelligkeit abgebildet. Die oberen "Zellen"
sind zu 0% elongationsfähig, erscheinen damit völlig schwarz
und sind nicht sichtbar.
Die sehr schmale Elongationszone, in der immer
nur etwa drei übereinander liegende "Zellen" gleichzeitig
sichtbar elongierten, entsprach nicht den natürlichen Gegebenheiten.
Wurde ein solcher Versuch ausgewertet, ergaben sich nur eine ausgesprochen
kleine, im Zeitverlaufsbild der Auswertung kaum sichtbare Elongationszone.
Abbildung 3-61: Simulation
020_06_6_x0: Zeitverlaufsbild. Da hier die Elongationsfähigkeit
auf die Zellhelligkeit abgebildet wurde, erscheinen alle "Zellen"
im ausgewachsen Zustand in einer recht ähnlichen Farbe.
Deshalb wurde in der nächsten Programmversion
die Elongationsfähigkeit der "Zellen" nicht nur vom
Elongationszustand der direkt darunter liegenden "Zelle"
abhängig gemacht. Hier ging vielmehr die Länge einer variablen
Anzahl (LENACTLEN) von darunter liegenden "Zellen" in
einer gewichteten Funktion in die Elongationsfähigkeit der
betreffenden "Zelle" ein. Als weiterer Parameter konnte
mit LENACTATT die Abnahme der Gewichtung angegeben werden. Sinnvolle
Angaben lagen hier zwischen null und eins, wobei bei null keine
der darunter liegenden Zellen berücksichtigt wurde (sämtliche
Gewichte = Null) und bei eins die Länge der darunter liegenden
Zellen komplett in die Berechnung der aktuellen Zelllänge einging.
Wurden LENACTLEN und LENACTATT beide auf eins gesetzt, ergab sich
dann wieder die zuvor aufgeführte Programmversion, in der nur
die Länge der direkt darunter liegenden Zelle vollständig
in die Berechnung der neuen Zelllänge eingegangen war.
Abbildung 3-62: Simulation
023_01: Simulierte Pflanze nach 400 Simulationsschritten. "Hypokotyl"
mit breiter Elongationszone. 10 "Zellen" unterhalb der
zu berechnenden "Zelle" wurden für die Ermittlung
ihrer neuen Länge berücksichtigt.
Abbildung 3-63:
Simulation 023_01_x0: Zeitverlaufsbild
mit 1000 scans. Helligkeitsverteilung der "Zellen" zufällig.
LENACTLEN 10
Abbildung 3-64:
Simulation 023_01_x0: Zeitverlaufsbild
mit 1000 scans. Helligkeitsverteilung der "Zellen" zufällig.
LENACTLEN 20. Da mehr "Zellen" bei der Berechnung der
neuen "Zelllänge" berücksichtigt wurden, ergab
sich insgesamt ein rascheres Wachstum. Die Elongationszone war im
Vergleich zu Versuch 023_01_x0 breiter.
3.5.2 Simulation
zeitgesteuerten "Zellwachstums"
In der zweiten Programmversion wurde eine
zeitliche Steuerung der Elongationsfähigkeit der "Zellen"
simuliert. In diesem Modell gab es eine Zone der Elongationsfähigkeit,
die zeitgesteuert von unten nach oben über die "Zellen"
wanderte. Die Elongationsfähigkeit innerhalb dieser Zone wurde
mit einer cos2 - Funktion modelliert, die so skaliert war, dass
die obere und untere Zonengrenze mit zwei aufeinanderfolgenden Minima
der cos² - Funktion zusammenfiel.
Folgende Parameter konnten im Programm "cs"
gewählt werden:
ELON_BREITE: Breite der Elongationszone in
Zellen
ELON_SPEED: Zahl der Zellen, die von der Elongationszone in einer
Stunde überstrichen wurden
ELON_LAGE: Zahl der Zellen, um die die Mitte der Elongationszone
zum Simulationsbeginn von der untersten Zelle aus gesehen nach oben
oder unten verschoben war.
Je nach Zahl der Zellen im Organismus mussten
diese Parameter angepasst werden, um realistische Bilder zu erhalten.
Da "Auxin" in der obersten "Zellreihe" eingespeist
und nach unten weitergereicht wurde, dauerte es stets eine gewisse
Zeit, bis es die untersten "Zellen" erreichte. Die untersten
"Zellreihen" durften natürlich auch erst zu diesem
Zeitpunkt von der Elongationszone erreicht werden. Dies gelang indem
man durch geeignete Wahl von ELON_LAGE die Lage der Elongationszone
zu Simulationsbeginn nach unten verschob. Ansonsten blieben die
untersten "Zellen" kleiner als die darüber liegenden.
Abbildung 3-65: Simulation
021_13: Simulierte Pflanze nach 1400 Simulationsschritten, Ausschnitt
unteres "Hypokotyl". Die Elongationszone wandert zeitgesteuert
nach oben. Durch ungünstige Parameterwahl von ELON_SPEED und
ELON_LAGE bleiben "Zellen" im unteren "Hypokotylbereich"
kleiner als die darüber liegenden.
3.5.3 Simulation von
Circumnutationen
Um Circumnutationen zu simulieren, wurde
das Modell einer zyklischen Anregung gewählt. Hierzu wurde
die in den obersten "Zellen" injizierte "Auxinmenge"
mit 1+sin x über den "Zellring" moduliert. Im ersten
Simulationsschritt erhielt die "Zelle" bei 0° also
genau eine Einheit "Auxin", die "Zelle" bei
90° zwei Einheiten "Auxin", während die in die
"Zelle" bei 270° eingespeiste "Auxinmenge"
gerade Null war. Die so modulierte Anregung konnte mit variabler
Periodenlänge EXCIT_PER über den obersten "Zellring"
gedreht werden. Außerdem war es möglich, die Lage der
Anregung zu Simulationsbeginn zwischen 0° und 360° zu variieren
(EXCIT_PHA).
Die Betrachtung der so generierten Bildserien
mit dem Videoplayer "v2"
lieferte typische kreisförmige
Wachstumsbewegungen, wie sie bei echten Pflanzen auch beobachtet
werden konnten. Wurden die Simulationsdaten mit den gleichen Methoden
analysiert die bei den echten Pflanzen verwendet worden waren, ergaben
sich abermals ähnliche Ergebnisse.
Abbildung 3-66:
Simulation 023_01_x2 (LENACTLEN
10): Zeitverlaufsbild. Auswertung mit Algorithmus 2 (Verschiebungsvektoren).
Schwingungen werden in einer schmalen Zone im oberen Teil des "Hypokotyls"
sichtbar.
Abbildung 3-67: Simulation
023_01b_x2 (LENACTLEN 20): Zeitverlaufsbild. Auswertung mit Algorithmus
2. Die Schwingungen erfassen einen größeren Teil des
"Hypokotyls" als in Simulation 023_01.
Abbildung 3-68:
Simulation 023_01_x9 (LENACTLEN 10): Zeitverlaufsbild. Auswertung
mit Algorithmus 9 (Krümmung, geglättet über 80 Pixel).
Abbildung 3-69:
Simulation 023_01b (LENACTLEN
10): Zeitverlaufsbild. Auswertung mit Algorithmus 9.
Abbildung 3-70:
Simulation 023_01b (LENACTLEN
10): Zeitverlaufsbild. Auswertung mit Algorithmus 9. Horizontal
gefiltert mit Grenzfrequenz 1 / 2h. Störende horizontale farbige
Bande, die von Fehlern der Stängelerkennung herrührten,
verschwanden.
Ein wichtiger Punkt der vorliegenden Arbeit
war es, die Frage zu klären, ob Circumnutationen durch herablaufende
Auxinpulse oder Auxinströme zustande kommen können. Das
Simulationsmodell einer zyklisch umlaufenden Injektion von "Auxin"
in die oberste "Zellreihe" entspricht einer umlaufenden
Auxinproduktion im Apex von realen Pflanzen. In der Simulation wird
beispielsweise zum Zeitpunkt t0 "Auxin" in die "Zelle"
bei 0° eingespeist. In jedem Simulationsschritt wird ein Teil
des "Auxins" in die darunter liegende "Zelle"
transportiert. "Auxin" bewirkt eine Verlängerung
der betreffenden "Zellen". Es kommt zu einer Krümmung
des "Hypokotyls" in Richtung der gegenüberliegenden
Seite der betreffenden "Zelle". Die Elongation weiter
unten liegender "Zellen" ist in Phase mit der Elongation
oberer "Zellen", jedoch aufgrund der Wanderungsgeschwindigkeit
des "Auxins" zeitverzögert, je nach Abstand zum obersten
"Zellring". Im Zeitverlaufsfenster der Auswertung liefern
solche Schwingungen daher leicht schräge farbige Banden, die
von links oben nach rechts unten verlaufen. Dabei ist es unerheblich,
ob die "Circumnutation" im Uhrzeigersinn oder im Gegenuhrzeigersinn
verläuft. Die Neigung der Bande ist lediglich abhängig
von der Wandergeschwindigkeit des "Auxins". Je langsamer
"Auxin" nach unten transportiert wird, desto langsamer
breiten sich die Krümmungen nach unten aus. Entsprechend stark
sind die Banden geneigt.
Abbildung 3-71:
Simulation 023_01b_x9: Ausschnitt
aus dem Zeitverlaufsbild. Auswertung mit Algorithmus 9. Die Neigung
der farbigen Banden von links oben nach rechts unten ist deutlich
zu erkennen.
Ähnliche Zeitverlaufsbilder kamen auch
bei realen Pflanzen vor:
Abbildung 3-72:
Arabidopsis thaliana,
Stamm C24 im LD 0800-2400: drei Ausschnitte aus dem Zeitverlaufsbild.
Deutliche Neigung der farbigen Banden von links oben nach rechts
unten. Versuch At990607_4_x9
3.5.4 Simulation
von tagesperiodischem Wachstum
Bei echten Pflanzen verläuft das
Wachstum in tagesperiodischen oder circadianen Schüben. Auftreten,
Häufigkeit und Intensität der Schwingungen stehen in engem
Zusammenhang mit den Wachstumsschüben. In Phasen geringen Wachstums
werden die Schwingungen in der Regel schwächer oder bleiben
ganz aus. Daneben beobachtet man eine Verlängerung der Schwingungsperiode
mit zunehmendem Alter der Pflanzen.
Abbildung 3-73:
Arabidopsis thaliana,
Stamm C24 im LD 0800-2400: Zeitverlaufsbild. Das tagesperiodische
Auftreten von Circumnutationen sowie eine Verlängerung ihrer
Schwingungsperiode mit zunehmendem Alter der Pflanzen ist zu erkennen.
Versuch At990607_4_x9
Abbildung 3-74:
Arabidopsis thaliana,
Stamm C24 im LD 0800-2400: Zeitverlaufsbild.
Horizontal gefiltert mit einer Grenzfrequenz von 1 / 1h. Versuch
At990607_4_x9
Im Modell wurde die diurnale Wachstumsrhythmik
durch tagesperiodische Modulation der "Auxinmenge" QANTAUXIN
simuliert. Es wurde zudem vorgesehen, die Amplitude der "Auxinmenge"
über die Zeit exponentiell abnehmen lassen zu können.
Außerdem war es möglich, die Phasenlage der Wachstumsgipfel
bezüglich des Startzeitpunkts der Simulation zu verschieben.
Hierfür wurden folgende Parameter im Programm vorgesehen:
DIUR_HALBW Halbwertszeit der Dämpfung
der 24-h Schwingung in Tagen
DIUR_LAGE Verschiebt den ersten Wachstumsgipfel bezüglich des
Startzeitpunkts der Simulation in Tagen.
DIUR_X Verschiebt die Dämpfungskurve nach oben; für X=1
berührt die Kurve im Abstand von 2PI die x-Achse
Die Modulation der Anregung erfolgte gemäß
folgender Gleichung:
quantauxin =QANTAUXIN*(1+DIUR_X*sin((v-DIUR_LAGE)*2Pi)*e-v/(DIUR_H*ln2)
mit v = simtime / 3600 / 24
simtime = Zeit ab Simulationsbeginn in Sekunden.
Die Zeitverlaufsbilder der Auswertung simulierten
Wachstums ähnelten den echten Aufnahmen durchaus.
Abbildung 3-75:
Simulation 023_05_x9: Zeitverlaufsbild.
Simulation tagesperiodisch modulierten Wachstums; Auswertung mit
Algorithmus 9. Zellwachstum abhängig von der Länge darunter
liegender "Zellen". Periodenlänge der zyklischen
Anregung drei Stunden.
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Abbildung 3-75b: Simulierte
Pflanze aus Abb. 3-75, Zeitrafferaufnahme des Wachstums
Das "Wachstum" erfolgte bei der Simulation
in tagesperiodischen Schüben wie bei realen Pflanzen. Genau
wie dort waren in Phasen geringen Wachstums auch die Circumnutationen
nur schwach ausgeprägt. Gegen Ende des Versuchs klangen Wachstum
und Schwingungen allmählich aus. Bei der realen Pflanze in
Abb. 3-73 wurde über vier Tage fast das gesamte Hypokotyl von
Schwingungen erfasst. Bei der Simulation in Abb. 3-75 waren Schwingungen
gegen Ende des Versuchs nur noch im oberen "Hypokotylbereich"
zu beobachten. Dies lag an der Wahl des Parameters LENACTLEN, der
die Länge der Wachstumszone bestimmt. Es gab jedoch auch reale
Pflanzen, bei denen das Hochwandern der Schwingungszone deutlicher
sichtbar wurde.
Abbildung 3-76:
Arabidopsis thaliana,
Mutante pin
im LD 0800-2000: Zeitverlaufsbild. Versuch Pin990818_8_x9
Horizontale farbige Banden, die von statischen,
lokalen Krümmungen der Pflanzen herrührten oder aber Auswerteartefakte
darstellten, verschwanden sowohl bei realen Pflanzen als auch in
der Simulation nach horizontaler Filterung.
Abbildung 3-77:
Arabidopsis thaliana,
Mutante pin
im LD 0800-2000: Zeitverlaufsbild. Horizontal gefiltert mit einer
Grenzfrequenz von 1 / 1h. Versuch Pin990818_8_x9
Abbildung 3-78:
Simulation 023_05_x9: Zeitverlaufsbild.
Auswertung mit Algorithmus 9. Horizontal gefiltert mit einer Grenzfrequenz
von 1 / 2h.
Eine Periodenverlängerung der Circumnutationen
gegen Ende des Versuchs, wie sie bei realen Pflanzen häufig
zu beobachten war, wurde in das Modell nicht eingebaut. Durch zeitgesteuerte
Verlängerung der Periodendauer der zyklischen Anregung EXCIT_PER
wäre dies jedoch leicht zu realisieren gewesen.
Die Zeitverlaufsbilder der Auswertung bei zeitgesteuertem
Zellwachstum waren denen bei längengesteuertem Zellwachstum,
jeweils mit tagesperiodischer Modulation, recht ähnlich.
Abbildung 3-79:
Simulation 021_17_x9: Zeitverlaufsbild.
Auswertung mit Algorithmus 9. Simulation tagesperiodisch modulierten
Wachstums: Zellwachstum zeitgesteuert. Periodenlänge der zyklischen
Anregung drei Stunden.
Abbildung 3-80:
Simulation 021_17_x9: Zeitverlaufsbild.
Auswertung mit Algorithmus 9. Horizontal gefiltert mit einer Grenzfrequenz
von 1 / 2h
3.5.5 Können
Circumnutationen durch lateralen, chiralen Auxintransport zustande
kommen?
Am Modell sollte geprüft werden,
ob Circumnutationen außer durch zyklische Anregung auch durch
lateralen, chiralen Auxintransport erzeugt werden können. Hierfür
wurden die im Simulationsprogramm enthaltenen Funktionen für
den lateralen Auxintransport (AUXIN_TO_LEFT und AUXIN_TO_RIGHT)
verwendet, mit denen eine bestimmte Menge "Auxin" bei
jedem Simulationsschritt von einer "Zelle" in die rechte
oder linke oder in beide benachbarten "Zellen" weitergeleitet
werden konnte.
Um durch chiralen, lateralen Auxintransport
überhaupt Wachstumsunterschiede und möglicherweise Schwingungen
erreichen zu können, war eine asymmetrische "Auxineinspeisung"
in die oberste "Zelllage" unabdingbar. Bei komplett symmetrischer
"Auxinzufuhr" von oben bewirkt eine chirale, laterale
"Auxinverschiebung" nichts, da jede "Zelle"
von der einen "Nachbarzelle" stets genau soviel "Auxin"
erhielt, wie sie an die andere "Nachbarzelle" weitergab.
Die "Auxinkonzentration" blieb somit in allen "Zellen"
einer "Zelllage" gleich und die Pflanze wuchs senkrecht,
ohne zu schwingen.
Bei asymmetrischer "Auxineinspeisung"
in die oberste "Zelllage" hingegen bewirkte eine chirale,
laterale, in allen "Zellen" stattfindende "Auxinverschiebung",
dass die Maxima und Minima der "Auxinkonzentration" in
weiter unten liegenden "Zelllagen" bezüglich der
obersten "Zelllage" nach rechts oder nach links verschoben
wurde. Dies betraf besonders den oberen "Hypokotylteil".
In den unteren "Zelllagen", die ja zuerst elongieren,
verteilte sich das "Auxin" immer mehr, so dass die "Pflanze"
zunächst fast senkrecht wuchs. Erst gegen später, als
das Wachstums die oberen "Zellen" erreichte, wurde der
Effekt sichtbar. Das "Hypokotyl" nahm dann eine korkenzieherartige
Form an.
Abbildung 3-81:
Simulation 024_04: Simulierte
Pflanze nach 380 Simulationsschritten. Asymmetrischer "Auxineinspeisung"
in die oberste "Zelllage" und laterale "Auxinverschiebung".
Der Bildausschnitt zeigt den oberen "Hypokotyl"-Teil.
Die Elongationsfähigkeit wurde auf die Zellhelligkeit abgebildet.
Das obere "Hypokotyl" entwickelte sich korkenzieherförmig.
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Abbildung 3-81b: Simulierte
Pflanze aus Abb. 3-81, Zeitrafferaufnahme des Wachstums
Auch im Zeitverlaufsbild (Abbildung 3-82) wurde
deutlich, dass es zu keinen Schwingungen kam. Die korkenzieherartigen
Krümmungen waren vielmehr in bezug auf die einzelnen Zelllagen
ortskonstant. Im Laufe des Wachstums der unteren "Zellen"
wanderten sie mit nach oben.
Abbildung 3-82: Simulation
024_06_x9: Zeitverlaufsbild. Auswertung mit Algorithmus 9. Zeitverlaufsbild
einer Simulation mit asymmetrischer "Auxineinspeisung"
in die oberste "Zelllage" und laterale "Auxinverschiebung".
Zellwachstum abhängig von der Länge darunter liegender
"Zellen".
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