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11. Grabungsplan Gutshof


Römischer Gutshof (villa rustica) bei Bondorf, Kr. Böblingen (Abb. 113)


Das Gelände der Autobahntrasse Stuttgart - westlicher Bodensee, die 2 km südlich von Bondorf mitten durch einen seit 1855 bekannten römischen Gutshof verläuft, mußte vor Beginn der Straßenbauarbeiten im Bereich des Gutshofes untersucht werden. Dabei ist es Dieter Planck gelungen, auf einer Fläche von 15000 qm vom 18. März bis 11. September 1975 einen der größeren römischen Gutshöfe im rechtsrheinischen Obergermanien auszugraben. Das Limesmuseum besitzt von der Ausgrabung in Bondorf den Torso vermutlich eines Apollo (EG 74). Es ist geplant, ein Modell des Gutshofes von Bondorf im Limesmuseum aufzustellen (Abb. 114).

Der römische Gutshof liegt im Oberen Gäu, einer fruchtbaren Hochfläche, die schon in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt war. Als älteste Siedlungsspuren kamen bei der Ausgrabung ein Schaber aus Silex und Steinbeile der Jungsteinzeit (Neolithikum 4./3. Jahrtausend v. Chr.) heraus. Es fanden sich ein bronzener Armring und Tongefäße der Urnenfelderzeit (1200-750 v. Chr.) und Grubenhäuser der Latènezeit (450 v. Chr. bis um Chr. Geb.), in denen Tongefäße, Fibeln, Bronzearmringe, eine Ösennadel und das Bruchstück eines keltischen Glasarmringes lagen.



Anfangs Holzbauten - später Steinbauten


Das zu Anfang des 2.Jh. n. Chr. gebaute römische Gehöft bestand aus Holzbauten: Wohnhaus, Steinkeller, zwei Speicherbauten. Von einem Holzzaun umgeben war das Gehöft genau so groß wie in der späteren Steinbauphase. Vermutlich wurden die Holzbauten um die Mitte des 2.Jh.n.Chr. Chr. in Stein ausgebaut Es konnten 12 von einer Hofmauer umschlossene Gebäude ausgegraben werden.


Hauptgebäude (1)


Das 53,90 x29,40 m große, nach Süden orientierte Hauptgebäude ist eine Villa mit Eckrisaliten (Ecktürmen) und Ianggestrecktem Mitteltrakt, dessen westlicher Teil unterkellert ist. An den westlichen Eckrisaliten schließt nach Norden eine Raumflucht von 4 Räumen an. Die 5 Räume der Westseite des Gebäudes besitzen einen Estrichboden. Zwei Räume waren durch eine Hypokaustanlage heizbar. Das Hauptgebäude hat insgesamt 10 Räume und einen Innenhof, von dem aus man auf einer Treppe den unter Raum 2 befindlichen Keller erreicht.

Der 12,10 x 4,50 m große Keller (Innenfläche 54 qm) hat eine Abstellnische an der Ostseite und 3 Kellerfenster an der Südseite. Der Keller besitzt ein gutes Kanalisationssystem.


Abb.113 Ausgrabungsplan des römischen Gutshofes (villa rustica) bei Bondorf, Kr.Böblingen


Bad (2)


Das nach der Hofmauer orientierte Badegebäude hat drei Bauphasen. In der 3. Bauphase ist das Bad 20,20 x18,80m groß und besitzt einen Auskleideraum (apodyterium), Kaltbad (frigidarium), Badebecken (piscina), Laubad (tepidarium), Warmbad (caldarium).



Gebäude 3 und 4


Etwa 20 m westlich des Hauptgebäudes liegt ein 25,70 x 15,40m großes, dreiteiliges Wirtschaftsgebäude, wohl eine Scheune mit einer ca. 320 qm großen Innenfläche (3).

Ein östlich des Hauptgebäudes gelegenes 15,50 x 20,90 großes Nebengebäude ist nach der Hofmauer orientiert Die nördliche Gebäudemauer ist mit der Hofmauer verbunden. Von den 4 bis 5 Räumen besitzt ein Raum ein Kanalsystem, das durch die Hofmauer nach außen geführt wird. Wahrscheinlich wurde das Gebäude als Stall genutzt (4).



Tempel (5)


Das 12,80 x10,20 m große, 25 m südlich des Hauptgebäudes und 15 m nördlich der Hofmauer gelegene Gebäude hat einen Estrichboden. Der Innenraum ist 11,20 x 8,60 m groß (Innenfläche 96,3 qm). Die südlich des Gebäudes gefundenen Architekturteile und Skulpturenfragmente legen eine Interpretation des Gebäudes als Tempel nahe.



Gebäude 6 bis 8


Das westlich von Gebäude 5 gelegene 13,74 x 11,84 m große Gebäude 6 (Innenfläche 123,5 qm) hatte vielleicht einen Holzfußboden. Möglicherweise handelt es sich um das Wohnhaus für das Gesinde (6).

Das 34,20 x 8,80 m große Gebäude an der Süd-Hofmauer (Innenfläche 242,7 qm) ist ein Fachwerkbau mit Steinfundamentierung. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Geräteschuppen oder eine Scheune zur Aufbewahrung von Geräten und Futter.

Ebenfalls an die südliche Hofmauer angebaut ist östlich davon ein 15,10 x 8 m großes Gebäude (Innenfläche 90,5 qm). Es wird im östlichen Bereich von dem Entwässerungskanal des Hauptgebäudes durchzogen. Vielleicht war der Fachwerkbau mit Steinfundamentierung ein Stall (8).


Abb.114 Torso, wahrscheinlich des Apollo, Sandstein. FO: Römischer Gutshof bei Bondorf, Kr.Böblingen


Gebäude 9 bis 12


In den 4 Ecken der Hofmauer standen 4 turmartige Eckbauten, die möglicherweise für die Verteidigung benutzt wurden.

Gebäude 9 in der NW-Ecke: 6,10 x 6,10 (20,3 qm Innenraum). Gebäude 10 in der NO-Ecke: 6,10 bis 6,20 x 6,75 (16,7 qm Innenraum). Gebäude 11 in der SO-Ecke: 6,70 x 6,50 (16,2 qm Innenraum). Gebäude 12 in der SW-Ecke: 6 x 6 m (21,2 qm Innenraum).



Hofmauer


Das Gehöft war von einer rechteckigen, etwa 70 bis 80 cm breiten und wohl 2 bis 3 m hohen Hofmauer umgeben: S 158,30 m; 0 91 m; N 159,50 m; W 86,20 m. Innenfläche: 1,4 ha. Eine Toranlage war nicht nachzuweisen. Wahrscheinlich lag das Hoftor im Süden zwischen den Gebäuden 7 und 8. Möglicherweise gab es auch einen Eingang von Westen auf Scheune 3. Nach Westen war die Hofanlage durch eine 123 m lange, im Fundament 70 bis 80 cm breite Mauer erweitert. Diese biegt rechtwinklig nach Süden um und ist dann noch 91,50 m weit nachzuweisen. Die Mauer umgibt wahrscheinlich einen Garten von 1,1 ha Innenfläche. Die Betriebsgröße der Bondorfer Villa rustica wird auf etwa 120 ha geschätzt.



Handwerkliche Betriebe


Etwa 25 m südlich der Südostecke der Hofmauer wurde ein großer Kalkbrennofen ausgegraben. In dem Gutshof sind eine Schmiede und eine Ziegelei nachgewiesen.

Mit 12 Einzelbauten gehört die Bondorfer Villa rustica zu den größeren Anlagen im rechtsrheinischen Obergermanien.



Alamannen bewohnen vorübergehend den Keller


Der Gutshof wurde während der Alamanneneinfälle im 3.Jh. n. Chr. zerstört. Alamannen haben vorübergehend den Keller des Gutshofes bewohnt. Im Hypokaustraum des westlichen Eckturmes kam ein leider gestörtes W-O orientiertes Frauengrab heraus mit einem Glasbecher, einem Spinnwirtel, Korallenperlen, Bernsteinperlen, dunkelbraunen, schwarz aussehenden Glasperlen. Aber bereits um die Mitte des 4.Jh.n. Chr. haben die Alamannen den Gutshof wieder verlassen.


Taf. 17 Kellertisch, Sandstein von Malmsheim, Kr. Böblingen. Vitrinen mit Funden von Waiblingen und Rheinzabern. Achtung: Grosse Datei!
Taf. 18 Holzfigürchen: Stoffballenträger, phallisch. Marsstatuette, Bronze, gefunden in einem Brunnen in Rainau-Buch. Achtung: Grosse Datei!
Taf. 19 Bronzestatuette: Amor hält mit beiden Händen eine vergoldete Schale, gefunden in einem Brunnen in Rainau-Buch. Achtung: Grosse Datei!
Taf. 20 Meilenstein von Isny und Leugenstein von Friolzheim. Vitrinen mit Funden aus den Straßenstationen. Achtung: Grosse Datei!
Taf. 21 Vitrine 31 Straßenstation (statio, mansio). Weihealtäre von Kommandanten der Straßenstation Cannstatt. Achtung: Grosse Datei!
Taf. 22 Eisenwerkzeuge und Bronzegfässe aus den 1978/79 untersuchten Brunnen im Lagerdorf Rainau-Buch. Achtung: Grosse Datei!
Taf. 23 Feldflasche, Eisen, Bronze. Aryballos (Salbgefäß), Bronze. Kannen, Bronze aus den Brunnen im Lagerdorf Rainau-Buch. Achtung: Grosse Datei!
Taf. 24 Funde aus dem Gräberfeld des Kastells Schirenhof. Grabsteine, Pinienzapfen, Sarkophag eines jungen Mädchens. Achtung: Grosse Datei!


Funde


Die Ausgrabungsbefunde und Funde der Bondorfer Villa rustica hat Anita Gaubatz bearbeitet: Terra Sigillata (von Südgallien, Ostgallien, Rheinzabern), Münzen, Keramik, Metallfunde, Bein, Knochen, Skulpturenfragmente, Architekturteile, Ziegel, Wandverputz, Getreidereste, Pflanzenreste, Tierknochen.

Besonders hervorzuheben ist ein geschnizter Beingriff eines Klappmessers, einen Lammträger darstellend, ausgestellt im Württembergischen Landesmuseum Stuttgart.




Lit.: D. Planck, Die Villa rustica bei Bondorf, Kr. Böblingen, in: Archäologische Ausgrabungen 1975, 43ff.- A. Gaubatz, Die Villa rustica von Bondort. Kr. Böblingen. Dissertation (Freiburg 1982).




Grabungsfotos des römischen Gutshofes Bondorf, Kr. Böblingen



Hauptgebäude: Der Vorderteil des über 60 m langen Hauptgebäudes ist teilweise unterkellert. In dem Keller wurden verkohlte Getreidereste ausgegraben.



Keller: Der tiefliegende Keller konnte durch sorgfältig angelegte Entwässerungskanäle stets trocken gehalten werden. Auf dem Foto ist ein Teil des abgedeckten Kanals zu sehen.






Götter beschützen den Gutshof


Im Hofe der Villa rustica waren in der Regel Weihedenkmäler für Schutzgottheiten aufgestellt. Sie sollten Krankheiten, Seuchen, Gefahr, insbesondere Mißernten bannen und volle Scheunen und Keller gewähren.

Nachgewiesen sind bildliche Darstellungen und Weihungen an Hercules, Apollo, Mercur, Diana, Minerva, Epona, Herecura, Jupiter etc. So hat zum Beispiel Gaius Vettius Connougus, ein einheimischer Kelte mit römischem Bürgerrecht, auf seinem Gutshof in Hausen

a. d. Zaber, Kr. Heilbronn um 200 n. Chr. Jupiter, dem höchsten Himmelsgott, dem Herrn über das Wetter, dem Gewittergott, eine etwa 7,50 m hohe Jupitergigantensäule aufstellen lassen - wahrscheinlich als Dank für eine gute Ernte und mit der Bitte um Schutz vor Blitzschlag, Hagel und Gewitterregen.




43 Wochengötterstein.


Stubensandstein. –H. 66 cm. Dm. 46 cm. Inv. R L 201. - FO: Stuttgart-Bad Cannstatt/Steig, NO vom israelitischen Friedhof, Düsseldorfer Straße 8 (1931).

Der Wochengötterstein diente als Zwischensockel einer Jupitergigantensäule (s. o.). In halbrunden Nischen sind als Symbole der Wochentage dargestellt:


Sol, nackt mit erhobenem rechten Arm. - Sonntag.


Luna mit gegürtetem Chiton (Untergewand). Montag.



Mars nackt, mit erhobenem rechten Arm, die Linke auf die Keule stützend - Dienstag.


Mercur, nackt in der Rechten den Beutel und in der Linken den Schlangenstab haltend -Mittwoch.


Jupiter, nackt, in der erhobenen Rechten das Zepter haItend - Donnerstag.


Venus, nackt, in der angewinkelten Linken den Spiegel haltend - Freitag.



Lit: Fundber. aus Schwaben NF 7,1930-1932, 46 ff. – P. Goessler, Neue Funde von Cannstatt, in: Germania 16,1932. 203 ff.






44 Viergötterstein.


Stubensandstein. H. 97 cm. Br. 42 cm. Dm. 34 cm. Inv. R L 206. - FO: Stuttgart-Bad Cannstatt, am 5. März 1874 bei Ausgrabung eines Kellers in der verlängerten Hallstraße gefunden und von dem Besitzer Stadelmaier dem Lapidarium des Württembergischen Landesmuseums geschenkt (Abb. 20).


Der Viergötterstein diente als Basis einer Jupitergigantensäule (s. o.). In Nischen stehen:

Juno, mit Chiton (Untergewand), Himation (Mantel) und Schleier. In der linken Hand hält sie das Weihrauchkästchen und in der Rechten eine Opferschale, aus der sie auf ein flammendes Altärchen spendet. Rechts neben der Göttin oben der Pfau, das ihr heilige Tier. Neben dem Altärchen steht eine kleine, langbekleidete, weibliche Figur, wahrscheinlich eine Anbetende (Adorantin).


Mercur, mit Chlamys (Mäntelchen) und Flügelhut. Er hält in der Rechten den Schlangenstab. Die linke Seite ist verstümmelt. Unten zu seiner Rechten der Hahn, das ihm heilige Tier.


Hercules hält in der Rechten die auf dem Boden stehende mächtige Keule. Uber dem linken Arm trägt er das Löwenfell und hält in der Linken die Äpfel der Hesperiden.


Minerva, mit Chiton und Himation (Untergewand und Mantel) hält mit der Linken einen runden Gegenstand vor die Brust. Zu ihrer Linken ist unten der Schild zu erkennen.



Lit.: Haug-Sixt 1914, 377 Nr. 253.





45 Relief der Epona.


Stubensandstein. - H. 37 cm. Br. 32 cm. -Inv. R L 71,130. - FO: Mittelstadt, Kr. Reutlingen, römischer Gutshof (villa rustica) (Abb. 90).

Epona ist Schutzherrin der Pferde und Beschützerin des Viehbestandes (s. o.).




Lit.: A. L. F. Rivet, The Roman Villa in Britain (London 1969). - H. Hinz, Zur Bauweise der Villa rustica. Germania Romana III (Heidelberg 1970) 15 ff. -Ders., Die Landwirtschaft im römischen Rheinland, in: Rhein. Vierteljahresbl. 36, 1972,1ff.- H. Cüppers, Wein und Weinbau zur Römerzeit im Rheinland, Germania Romana III (Heidelberg 1970) 138ff.- D. Baatz, Das Leben im Grenzland des Römerreichs. Die Römer in Hessen (Stuttgart 1982) 84ff.








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